DAS MUSST DU üBER DAS NEUE STROMGESETZ WISSEN: WIRD DIE SCHWEIZ MIT WINDRäDERN ZUGEPFLASTERT?

Am 9. Juni stimmt die Schweiz über das neue Stromgesetz ab. Bei einem Ja sollen mehr erneuerbare Energien zugebaut werden.

Energieminister Albert Rösti (56) steht unter Strom. «Wir brauchen mehr Strom – viel mehr Strom!», startete er vor den Medien in Bern in den Abstimmungskampf. Der Stromverbrauch werde in den kommenden Jahren massiv ansteigen. Und die Versorgungslage sei immer noch fragil, warnte er.

Gerade an die Adresse seiner eigenen Partei machte er klar: «Zu einer unabhängigen Schweiz gehört auch eine sichere Stromversorgung. Das stärkt die Souveränität unseres Landes.» So wird er sich auch an der SVP-Delegiertenversammlung vom Samstag für ein Ja einsetzen, obwohl die Parteispitze die Basis auf Nein-Kurs trimmen will.

Rösti lässt sich vom von SVP-Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher (54) angeführten Widerstand aber nicht beeindrucken. «Ich werde das Gesetz mit Überzeugung vertreten», kündigt er an. Schliesslich stecke auch viel persönliches Herzblut drin, habe er das Gesetz doch noch als Nationalrat mitgeprägt.

Nun will der SVP-Bundesrat unbedingt gewinnen. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum neuen Stromgesetz.

Was will das neue Stromgesetz?

Mehr Wasserkraftanlagen, mehr Solarpanels und Windräder: Mit dem neuen Gesetz sollen mehr erneuerbare Energien zugebaut werden. Dafür werden Fördergelder länger ausbezahlt und Bewilligungen erleichtert.

Warum stimmen wir darüber ab?

Die Umweltschützer rund um Vera Weber sagen, das Gesetz schwäche den Landschafts- und Naturschutz. «Es ist absurd, die Natur auf dem Altar des Klimas zu opfern.»

Sie haben darum das Referendum ergriffen. Mit dem neuen Gesetz könnten Wälder für den Bau von Windkraftanlagen gerodet werden. Grosse Solarparks würden auch in geschützten Landschaften möglich und das Beschwerderecht eingeschränkt, kritisieren sie weiter.

Was ändert sich mit dem Gesetz?

Das Gesetz enthält ein ganzes Bündel von Massnahmen. Neben neuen Zielen, wie viel erneuerbare Energien ausgebaut werden sollen, werden unter anderem Fördergelder länger ausbezahlt und neue kommen dazu. Die Übersicht über die wichtigsten Massnahmen:

  • Höhere Bedeutung: Solar-, Wasser- und Windkraftanlagen können als nationales Interesse gelten, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Dann profitieren sie, wenn es eine Beschwerde gibt: Die Gerichte stellen das Interesse an der Stromversorgung höher als beispielsweise den Naturschutz und werden die Klage tendenziell eher abweisen.
  • Mehr Wasserkraft: 16 Wasserkraftprojekte profitieren von erleichterten Bewilligungen und sollen so schneller gebaut werden können. So soll mehr Strom produziert und gespeichert werden. Staumauern können erhöht werden, wie zum Beispiel in Trift im Kanton Bern, ein neuer Speichersee kann gebaut werden, wie beim Projekt Corner in Zermatt VS. Diese Projekte sollten prioritär gebaut werden.
  • Solarpflicht: Auf grossen Dächern und Fassaden, die neu gebaut werden und über 300 Quadratmeter gross sind, müssen künftig Solarpanels montiert werden.
  • Winterreserve: Damit wir im Winter genügend Strom haben, müssen grosse Speicherwasserkraftwerke Wasser zurückhalten, das im Notfall abgerufen wird. Dazu wird es Ausschreibungen für weitere Speicherbetreiber geben, die dafür Geld bekommen.
  • Schutzgebiete: Auch wenn mehr Kraftwerke gebaut werden sollen – in Biotopen von nationaler Bedeutung und Wasser- und Zugvögelreservaten bleiben sie verboten. Hingegen können zum Beispiel Windturbinen neu auch im Wald gebaut werden. Wind- und Solarparks sind auch in geschützten Landschaften möglich.
Werden mit dem Gesetz neue AKW gebaut?

Nein. Das Gesetz handelt von erneuerbaren Energien. Ob wieder neue Kernkraftwerke gebaut werden sollen, dürfte aber nach der Abstimmung bald zum Thema werden: Nachdem die Blackout-Initiative eingereicht wurde, dürfte Rösti bald entscheiden, ob es einen Gegenvorschlag gibt.

Wird tatsächlich mehr gebaut?

Bei einem Ja kann zwar vieles schneller gehen – doch eine Garantie dafür gibt es nicht. Noch immer sind Einsprachen möglich, die den Bau verzögern oder verhindern können. So zum Beispiel beim Wasserkraftwerk Trift.

Braucht die Schweiz wirklich mehr Strom?

Die Schweiz will längerfristig klimaneutral werden, also weniger CO₂ ausstossen. Das kann beispielsweise klappen, wenn statt Diesel- oder Benzinautos Elektroautos durch die Schweiz flitzen. Allerdings benötigen sie Strom.

Dazu steigt die Bevölkerungszahl, also braucht es insgesamt mehr Strom. Und die Bevölkerung will längerfristig die AKW abstellen. Somit muss der fehlende Strom ersetzt werden.

Kürzlich kam der Solarexpress – was ist jetzt der Unterschied?

Es gibt momentan viele verschiedene Vorlagen, die den Ausbau der erneuerbaren Energien betreffen. Der Solarexpress, der bereits in Kraft ist, soll dafür sorgen, dass in den Alpen mehr Solaranlagen stehen.

Gleichzeitig diskutiert das Parlament über den sogenannten Beschleunigungserlass. Dieser geht in eine ähnliche Richtung und soll die Verfahren für Solar- und Windkraftanlagen sowie das Stromnetz beschleunigen.

Zudem hat das Parlament vergangene Woche das CO₂-Gesetz beschlossen. Auch dort hat es verschiedene Elemente drin, die sich mit der Energieversorgung befassen.

Was kostet das Gesetz?

Damit mehr gebaut wird, werden die bestehenden Fördermittel, die schon heute gelten, verlängert. Finanziert werden sie – ebenfalls wie bisher – mit dem Netzzuschlag. Der liegt bei 2,3 Rappen pro verbrauchte Kilowattstunde.

Auch das neue System einer «gleitenden Marktprämie» wird damit finanziert. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher würden also keine neuen Kosten entstehen, schreibt das Bundesamt für Energie.

Was passiert bei einem Nein?

Bei einem Nein bleiben die bestehenden Gesetze in Kraft. Jedoch könnten einzelne Förderungsmassnahmen auslaufen. Die Befürworter befürchten, dass die Schweiz den steigenden Strombedarf nicht mit Erneuerbaren decken kann. Zudem bräuchte es Notfallmassnahmen für den Winter.

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