ISRAEL WILL IRANS REVOLUTIONSGARDEN AUF TERRORLISTEN SEHEN: WAS DAS BEDEUTET

Nach dem Angriff der Revolutionsgarden auf Israel setzt sich der jüdische Staat dafür ein, dass die Eliteeinheiten der Islamischen Republik Iran als Terrororganisation eingestuft werden. Bislang sträubte sich der Westen dagegen.

«Der Iran muss jetzt gestoppt werden – bevor es zu spät ist», sagte der israelische Aussenminister Israel Katz am Dienstag auf der Plattform X. Er rief dazu auf, Sanktionen gegen das iranische Raketenprogramm zu ergreifen sowie die Revolutionsgarden der Islamischen Republik zur Terrororganisation zu erklären.

Bis dato hat nur eine Handvoll Länder die Revolutionsgarden auf die jeweilige Liste der Terrororganisationen gesetzt. 2018 taten dies die sunnitischen Golfmonarchien Saudi-Arabien – ein Erzfeind des schiitisch-islamistischen Regimes in Iran – und Bahrain. Die Vereinigten Staaten schlossen sich 2019 an. Schweden stufte 2023 als erstes europäisches Land die Revolutionsgarden als Terrororganisation ein.

Das würde es für Iran bedeuten, wenn andere Länder die Revolutionsgarden auf die Terrorlisten setzen würden:

Die Revolutionsgarden – wer ist das überhaupt?

Die Revolutionsgarden (IRGC) sind dem Schutz der Islamischen Revolution in Iran verpflichtet und heissen mit vollem Namen «Armee der Wächter der Islamischen Revolution». Ajatollah Khomeini, der Gründer der Islamischen Republik Iran, etablierte sie kurz nach der Machtübernahme 1979. Auch heute noch sind sie dem iranischen Staatsoberhaupt und Revolutionsführer direkt unterstellt.

Wie die meisten Länder hat auch Iran eine Armee. Doch mit den Revolutionsgarden gibt es im Land neben der regulären Armee noch eine zweite – die Revolutionsgarden haben neben einem eigenen Heer auch eine Marine und eine Luftwaffe. Daneben unterhalten sie einen Geheimdienst und haben mit den Basidschis eine paramilitärische Freiwilligenmiliz, die bei den Protesten gegen das Regime brutal gegen Demonstrierende vorging.

Vor allem die Quds-Brigaden als Eliteeinheit innerhalb der Revolutionsgarden sind im Ausland aktiv, besonders in befreundeten Staaten wie Irak und Syrien. Sie unterstützen die Hisbollah im Libanon und die Hamas im Gazastreifen.

Doch die Revolutionsgarden sind auch der wichtigste wirtschaftliche Player Irans. Infrastrukturprojekte, Häfen, Ölförderung: Sie kontrollieren nach verschiedenen Schätzungen zwischen 10 und 50 Prozent der iranischen Wirtschaft. Sie haben auch einen grossen Einfluss auf die inländischen Medien. Die iranischen Nachrichtenagenturen Tasnim und Fars stehen mehr oder weniger offen unter Kontrolle der Revolutionsgarden und sind wichtige Pfeiler der Regime-Propaganda.

Wie würde die Terror-Einstufung dem Regime schaden?

Nur schon die politische Wirkung ist deutlich: Werden die Revolutionsgarden auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt, finden sie sich in einer Reihe mit Organisationen wie dem sogenannten «Islamischen Staat», Al-Kaida oder der Hamas wieder. Es wäre das erste Mal, dass Teile der Streitkräfte eines international anerkannten Staates als Terrororganisation eingestuft würden.

Die Einstufung als Terrororganisation ist mit einem Verbot gleichzusetzen. Das Mullah-Regime würde damit international noch weiter isoliert und delegitimiert. Vor allem aber würde der Schritt die iranische Wirtschaft hart treffen, da die Revolutionsgarden grosse Teile davon kontrollieren. Handel und andere Formen der Kooperation mit Unternehmen, die unter Kontrolle der IRGC stehen, würden damit verunmöglicht.

Bereits seit den massiven Anti-Regime-Protesten, die durch den Tod der kurdischen Iranerin Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 ausgelöst wurden, spielt die britische Regierung mit dem Gedanken, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen. Doch bislang ist es nicht dazu gekommen. Kritiker der Massnahme behaupten, es würde die Diplomatie mit der Islamischen Republik verunmöglichen, wie das Jewish Chronicle schreibt.

Allerdings: Abgesehen von den USA unterhalten alle Länder, die die Revolutionsgarden bereits als Terrororganisation eingestuft haben, weiterhin diplomatische Beziehungen mit der Islamischen Republik.

Im Vereinigten Königreich wird eine mögliche Aufnahme der Revolutionsgarden in die Liste der Terrororganisationen aktuell auf höchster politischer Ebene diskutiert, wie der Guardian schreibt. Dort könnte einem Unterstützer der Revolutionsgarden künftig eine Gefängnisstrafe drohen, sollte es dazu kommen.

Auch in Kanada wird laut CBC eine mögliche Terrorlistung debattiert. Das Land hat die Quds-Brigaden der Revolutionsgarden bereits 2012 als Terrororganisation eingestuft. Sollten die IRGC als Ganzes auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt werden, könnte die Polizei gegen alle vorgehen, die die Organisation materiell oder finanziell unterstützen. Banken könnten Konten einfrieren.

Die Schweiz hat vor kurzem die Hamas als Terrororganisation eingestuft, die Revolutionsgarden sind hingegen aktuell kein Thema. Da die Schweizer Botschaft in Teheran für den diplomatischen Kontakt zwischen den USA und der Islamischen Republik zuständig ist, dürfte der Schweizer Aussenpolitik das Risiko eines solchen Schrittes zu gross sein.

Der Westen hadert mit einem Entscheid

Im Zuge der Anti-Regime-Proteste, die die Islamische Republik ab Herbst 2022 für mehrere Monate in die tiefste Krise ihrer Geschichte stürzten, kam von iranischen Oppositionellen schnell die Forderung, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen. Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock verschrieb sich einer «feministischen Aussenpolitik» und sagte im Januar 2023, die Revolutionsgarden als Terrororganisation zu listen sei politisch wichtig und sinnvoll.

Doch zu einer Aufnahme der Revolutionsgarden in die Liste der Terrororganisationen kam es nicht – laut der deutschen Regierung aus juristischen Gründen. Sie behauptete, die rechtliche Grundlage sei nicht gegeben, wie die taz schreibt.

Doch der Juristische Dienst des Europäischen Rates stellte laut «taz» fest, dass die EU die Revolutionsgarden auch auf Basis von Entscheiden von Ländern ausserhalb der EU auf die Terrorliste setzen könnte. Eine rechtliche Grundlage wäre somit gegeben, denn allein 2021 urteilte das Oberste Gericht in Kanada, dass der Abschuss von Flug 752 durch die Revolutionsgarden ein vorsätzlicher terroristischer Akt gewesen sei: 2020 schossen die IRGC ein Passagierflugzeug ab, das von Teheran nach Kiew unterwegs war.

Dass die Revolutionsgarden in der EU bis heute mit Ausnahme von Schweden nicht als Terrororganisation gelistet wurden, kann somit nur ein politischer Entscheid der EU bzw. der jeweiligen Länder sein.

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