WIE COOP DER MIGROS DEN RANG ABLäUFT

Im Duell der Detailhändler steht Coop derzeit auf der Siegerseite. Wie die Basler dem orangen Riesen den Rang ablaufen.

Sind Sie ein Coop- oder ein Migros-Kind? Das ist die falsche Frage. Denn es gibt gar keine Coop-Kinder. Das sagt nicht irgendwer, sondern Coop-CEO Philipp Wyss, jeweils im kleineren Kreis. Die Begeisterung der Kundschaft für Eigenmarken mit seit Jahrzehnten bestehendem ikonischem Design kennt nur die Migros. Das orange M als Love-Brand überstrahlt in Umfragen die Marke Coop. Doch offenbar bestrafen viele Migros-Fans den Grossverteiler zunehmend mit Liebesentzug. Unternehmens-Chef Mario Irminger nennt die Probleme beim Namen und verweist auf Jahre anhaltende substanzielle Marktanteilsverluste im Kerngeschäft. Das will er ändern. Doch während die Manager in der Zentrale noch über neuen, für alle Genossenschaften verbindlichen Supermarktformaten brüten, eröffnet Coop bereits laufend frisch renovierte Läden. Der Konkurrenz aus Zürich ziehen die Basler aber nicht nur im Kerngeschäft davon. Coop wirft auch in anderen Bereichen einen immer länger werdenden Schatten auf die Migros.

Philipp Wyss war an der jüngsten Bilanzmedienkonferenz voll in seinem Element. Er, der im Mai 2021 die Leitung von Joos Sutter übernommen hat, muss sich im Gegensatz zu Irminger nicht mit Restrukturierungen herumschlagen. Die Gewinnsteigerung des vergangenen Jahres verkündete er vor den Medien nicht in einem sterilen Konferenzraum, sondern mitten in einem renovierten Coop-Supermarkt. Im Hintergrund flochten zwei Angestellte Teigstränge zu Butterzöpfen. Im neuen Chäshüsli kann die Kundschaft zwischen 200 Käsesorten im Offenverkauf wählen. Drei Monate blieb der Megastore in Oberwil im Baselbiet wegen Umbaus geschlossen, bevor er in neuem Glanz erstrahlte. Dabei ging es nicht nur um optische Verbesserungen. In grossen Supermärkten produziert der Detailhändler mehr Ware vor Ort: von Backwaren bis zu Würsten. Den Umbau des Filialnetzes hat das Management von langer Hand aufgegleist. Coop startete damit bereits 2017. Die Neugestaltung wird über das Jahr 2026 andauern. Inklusive Kosten für die Erneuerung der Coop-Einkaufscenter wird das über 600 Millionen Franken kosten.

Vernachlässigte Läden

Die Migros liegt im Vergleich um Jahre zurück. Einige Genossenschaften haben ihr Ladennetz sträflich vernachlässigt. Mario Irminger versucht, die Versäumnisse nachzuholen und hat einen gross angelegten Umbau der Filialen angekündigt. Doch die Umsetzung dauert: Der orange Riese ist erst in der Testphase für ein einheitliches neues Ladenformat. Bis die Kundschaft Verbesserungen sieht, wird noch einige Zeit verstreichen. Für die Kundschaft werden die Unterschiede zu den aufgehübschten Läden der Konkurrenz oder – im Falle der deutschen Discounter – den vielen neu eröffneten Filialen immer offensichtlicher. Bei der Migros läuft derweil nicht einmal die Beschaffung der Einrichtungen wie der Kühlschränke und Kassenanlagen zentral. Das machen die Genossenschaften jeweils in Eigenregie, was die Kosten in die Höhe treibt. Auch dies soll sich unter der neuen Führungsriege ändern. Das Filialnetz der Migros ist aber nicht nur altmodisch, es ist auch zu klein. Coop hat historisch gesehen mehr Läden als die Migros. Einst war das für Coop ein Nachteil und für die Migros ein Plus. Die Belieferung vieler kleiner Filialen war aufwendig und kostspielig.

Die Vorzeichen haben sich geändert. Mittlerweile haben die Händler in ihrer Logistik grosse Fortschritte erzielt und können auch ein verästeltes Filialnetz effizient beliefern. Das ist auch nötig, denn die Kundenbedürfnisse sind im Wandel. Der Wocheneinkauf mit dem Auto in der Agglomeration kommt immer seltener vor. Stattdessen läuft man nach der Arbeit schnell zum Supermarkt um die Ecke oder kauft in der Nähe des Wohnorts ein. Wer dort keine Läden hat, verliert Marktanteile. Den Trend zum nahen Einkaufen hat die Migros verschlafen. Schon vor zehn Jahren hatte Coop mehr Filialen, als die Migros heute betreibt. Erstaunlich ist, dass die Migros auf eine Aufholjagd verzichtete.

Coop hat beim Ausbau mehr Gas gegeben und seit 2013 fast 140 neue Coop-Supermärkte eröffnet, was einem Netz von 965 Filialen entspricht. Bei der Migros kamen weniger als halb so viele hinzu. Aktuell sind es 639 Supermärkte mit dem orangen M. Nicht eingerechnet sind dabei Spezialformate wie Alnatura und Voi. Auch bei ihren Ausbauplänen treten die beiden Grossverteiler mit unterschiedlicher Entschlossenheit auf: «Wir sind zuversichtlich, bis Ende 2025 oder Anfang 2026 über 1000 Supermärkte zu verfügen», sagte Coop-Chef Wyss im Rahmen der Bilanzmedienkonferenz. Der Ausbau ist ein Kernanliegen von Wyss. Er setzt auf neue Standorte in Wachstumsregionen. Was einfach klingt, ist komplex. «Denn jede Filiale ist ein kleines Unternehmen», sagt Wyss jeweils. Sein Mann für die Standortsuche ist Immobilienchef Christian Coppey.

Die Migros will sich diesbezüglich nicht zu Mittelfristzielen äussern. «Zum Ausbau unseres Filialnetzes kann ich noch keine qualifizierten Aussagen machen», sagt ein Sprecher. Die Strategie werde im Zuge der Gründung der Supermarkt AG überarbeitet. Mit dieser Anfang Jahr ins Leben gerufenen zentralen Steuerungseinheit fürs Kerngeschäft unter der Leitung von Peter Diethelm sollen die Abläufe an Effizienz gewinnen. In strategischen Angelegenheiten sollen nicht mehr alle zehn Genossenschaften dreinreden, sondern nur noch die Entscheidungsträger der Supermarkt AG. Mit Ausnahme der beliebten regionalen Produkte will man endlich auch das Sortiment in den Läden vereinheitlichen. 

Der Migros-Tortenwitz

Intern machte der Witz die Runde, dass jede Genossenschaft Schwarzwäldertorten in unterschiedlichen Varianten im Sortiment führe. Dabei haben die ganzen Bemühungen einen Haken. Die Umsetzung der Massnahmen werden weiterhin die Regionen verantworten. Machen die nicht mit, bleiben die Ideen aus der Zentrale Luftschlösser.

Mit diesem zweistufigen Modell ist die Migros schon bei ihren Fachmärkten gescheitert: Sie schreiben rote Zahlen. Nach jahrelangem Herumdoktern kapituliert die Migros. Sie gibt ihre Läden mit Staubsaugern und Turnschuhen auf. Melectronics und SportX stehen zum Verkauf. Dabei gab es letzte Wiederbelebungsversuche. Der Schriftzug SportXX verlor ein X, um sich von der Erotikbranche abzugrenzen, und ein Fokus auf «mentale Fitness» sollte Kundschaft anlocken. Melectronics versuchte es mit Shop-in-Shops in grossen Migros-Supermärkten. Beides funktionierte nicht. Nun dürften die Namen und mit ihnen viele Filialen verschwinden. Kaufinteressenten werden sich kaum dazu verpflichten, alle Zweigstellen zu übernehmen. Auch die anderen Formate wie die Heimwerkermärkte Do it + Garden und OBI hat Mario Irminger auf den Prüfstand gestellt.

Coop ist Heimwerkerkönig

Ganz anders Coop: Die Basler haben 2020 Jumbo übernommen, die 40 Standorte waren zuvor im Besitz der Genfer Familienholding und Manor-Besitzerin Maus Frères. Damit konnte der Detailhändler zusammen mit dem eigenen Brand Coop Bau+Hobby die Zahl der eigenen Baumärkte mehr als verdoppeln und stieg zum klaren Schweizer Heimwerkerkönig auf. Philipp Wyss und sein Vize Daniel Stucker, der für die Fachformate verantwortlich ist, zeigten sich bei der Namenswahl für das neue fusionierte Konstrukt wenig nostalgisch: Alle Läden heissen jetzt Jumbo. «Jumbo ist klarer positioniert als Baumarkt. Bei Coop Bau+Hobby schwingt auch immer das ganze Essen im Namen mit», begründete Wyss den Entscheid.

Im vergangenen Jahr erzielte Jumbo einen Umsatz von 1,1 Milliarden Franken. Die Migros weist zwar selber keine vergleichbaren Zahlen aus, erzielte laut letzten verfügbaren Angaben des Marktforschungsunternehmens GfK in diesem Bereich aber weniger als halb so viel Umsatz. Im hart umkämpften Heimwerkermarkt, wo neben Spezialisten wie Hornbach auch die Discounter Lidl und Aldi mitmischen, spielt Grösse eine Rolle. Das gilt auch für SportX, wo die Migros kleiner ist als die zur deutschen Deichmann-Gruppe gehörende Ochsner Sport. Der französische Sportriese Decathlon hat zwar in der Schweiz weniger Filialen als SportX, setzt die Konkurrenten aber mit günstigen Eigenmarken stark unter Druck und ist auf Wachstumskurs. Coop mischt im Sportmarkt nicht mit. Das Geschäft läuft harzig: Die Umsätze im Sportmarkt schrumpften 2023 laut GfK um 1,5 Prozent. Das Marktforschungsinstitut rechnet auch fürs laufende Jahr mit einem Rückgang.

Während der Migros mit einigen ihrer Fachmärkte die notwendige Grösse fehlt, sind die Produktionsbetriebe mit einem Umsatz von sechs Milliarden Franken für die Schweiz allein eigentlich überdimensioniert. Mario Irminger, der seit Mai 2023 an der Migros-Spitze steht, hat den Kosmetikhersteller Mibelle zum Verkauf ausgeschrieben. Nun greift er andernorts durch. Die Industriebetriebe versuchten über die Jahre immer wieder ihr Glück im Ausland. Von Deutschland über Frankreich, Grossbritannien bis zu Korea verfügt der Grossverteiler über Aktivitäten. Die Migros führte sich wie eine kleine Nestlé auf. Davon hält Irminger nichts. Er will Auslandaktivitäten zurückfahren.

Kaffeechef muss gehen

Dabei kracht es im Gebälk der Migros. Der langjährige Delica-CEO Raphael Gugerli hat das Unternehmen per Ende März abrupt verlassen. Zum Unternehmen gehören unter anderem Chocolat Frey, Biscuits von Midor und das Kaffeegeschäft, womit Delica einer der grössten Industriebetriebe der Migros ist. Gugerli wollte mit Standorten und teils lokalen Vertriebsteams in Düsseldorf, Paris, Rotterdam und Barcelona den Durchbruch schaffen. Die deutsche «Lebensmittel Zeitung» titelte Anfang 2022: «Migros-Tochter greift im Süsswarenregal an». Dies mit Frey-Schoggi, Biscuits und Schokoladensnacks im deutschen Markt. Der Abgang von Gugerli stehe ganz klar im Zusammenhang mit der von Irminger angekündigten Refokussierung der Migros Industrie als Zulieferer der eigenen Supermärkte, sagt ein Migros-Insider. Vor allem im Kaffeegeschäft, zu dem auch das mässig erfolgreiche Portionensystem Coffee  B gehört, überbordeten demnach die Expansionspläne. Mit im Boot bei der Neuausrichtung ist Ex-Marketingchef Matthias Wunderlin, der seit Dezember die Industriebetriebe leitet. «Fokussierung auf das Kerngeschäft in der Schweiz», steht nun im neusten Geschäftsbericht der Migros-Industrie, der wenig erfreulich ausfällt. Wertberichtigungen und «andere Bereinigungen im Auslandgeschäft» belasteten das Ergebnis und sorgten für einen Verlust von 175 Millionen Franken bei der Migros-Industrie. Ein Grund: Die Migros hat die Schokoladenfabrik ihrer Tochter Sweetworks in Buffalo im US-Bundesstaat New York im vergangenen Jahr geschlossen. Den Kauf hatten die Migros-Verantwortlichen 2014 noch gross mit einer Medienmitteilung angekündigt. Der Rückzug passierte im Stillen. Die Fabrik beschäftigte rund 100 Mitarbeitende.

Die Zeiten des Glamours sind wohl endgültig vorbei. Einst bewarb Ex-Miss-Schweiz Christa Rigozzi Pralinés von Frey, und der britische Sänger Robbie Williams war im In- und Ausland Markenbotschafter für die Kapseln von Café Royal. Heute spricht Mario Irminger ganz nüchtern von der Sicherstellung der Versorgungssicherheit für die Migros-Supermärkte als Hauptaufgabe der eigenen Betriebe. Allerdings konnte bislang die Produktion im Inland dank den Verkäufen im Ausland besser ausgelastet werden. Deshalb drohen nun Überkapazitäten.

Coop ohne Pastafabrik

Rivale Coop verfügt ebenfalls über eigene Produktionsbetriebe, hat die Phase der Fokussierung aber längst hinter sich. Im Gegensatz zur Migros verzichtet man etwa auf die Herstellung von Teigwaren. Die eigene Pastaproduktion schloss Coop bereits 2014. Sie hätte nicht mehr profitabel weitergeführt werden können, lautete damals die Begründung. Stattdessen investierte der Grossverteiler in eine neue Fabrik für die eigene Schokoladenmarke Halba. Der Hersteller hat sich im Biosegment erfolgreich positioniert. Halba ist mittlerweile der grösste Schweizer Hersteller von Bioschokolade. Während Coop mit solchen Spezialprodukten auch im Ausland Geld verdient, gibt es Frey-Schoggi der Migros unter den Eigenmarken ausländischer Supermärkte zum Tiefpreis. Profit wirft das kaum ab.

Coop hat sich im Supermarkt-Geschäft nie auf Auslandabenteuer eingelassen. Im Grosshandel sieht das ganz anders aus. Von Rumänien bis Spanien betreibt die Coop-Tochter Transgourmet Cash-&-Carry-Märkte und Lieferdienste für Gastro- und andere Gewerbekunden. Dieses zweite Standbein des Unternehmens hat Coop-Urgestein Hansueli Loosli aufgebaut. Er setzte auf ein starkes Wachstum des Ausser-Haus-Konsums. Das lief nicht ohne Rückschläge ab, doch zuletzt bekam Loosli recht. Die 2005 ursprünglich als Gemeinschaftsunternehmen mit der deutschen Rewe gegründete Transgourmet gehört seit 2011 vollständig zu Coop und erzielte zuletzt einen Umsatz von über elf Milliarden Franken. Damit ist sie zur Nummer zwei im europäischen Grosshandel aufgestiegen. Die Migros hat sich vom Grosshandelsgeschäft verabschiedet.

Während die Migros im Schweizer Supermarkt-Geschäft weiter die Nummer eins ist, überflügelte Coop die Rivalin beim Konzernumsatz dank Transgourmet. Im Vergleich mit 2013 ist der Vorsprung von Coop weiter gewachsen. Mario Irmingers Vorgänger Fabrice Zumbrunnen hat in dieser Zeit unter anderem die Warenhauskette Globus und den Möbelhändler Interio abgestossen. Die Migros-Manager schafften es während Jahren nicht, diese starken Marken zum Erfolg zu bringen. Nun schrumpft Irminger das Migros-Universum weiter. Dabei räumt er in Bereichen auf, die über die Jahre immer wieder defizitär waren. Unangetastet bleiben derweil die rentable Migros Bank und die Aktivitäten im Gesundheitsbereich, obwohl die weit vom Kerngeschäft entfernt sind.

Das offensichtliche Problem von Irminger: Er hat in vielen Belangen weiterhin nur einen beschränkten Durchgriff auf die Genossenschaften. Die teure Expansion mit der deutschen Supermarkttochter Tegut beispielsweise liegt ausserhalb des Einflussbereichs von Irminger. Die Kette gehört der Migros Zürich. Das Konstrukt mit den Leitern der zehn Regionen und der Supermarkt AG bleibt komplex. «Es gibt eigentlich keinen obersten Migros-Chef», räumt Irminger selber ein. Peter Diethelm steht als Leiter der Supermarkt AG irgendwie auf Augenhöhe, und da ist auch noch Guido Rast als Präsident dieses Gebildes und Leiter der Migros Luzern. Rast und mit ihm der Präsident der Genossenschaft Luzern, Felix Meyer, haben zuletzt deutlich an Einfluss im Konzern gewonnen. Sie trieben die Gründung der Supermarkt AG voran. Das Gegenteil hört man über die Migros-Präsidentin Ursula Nold. Bei den jüngsten strategischen Grundsatzentscheidungen, wie dem Verkauf des Reiseanbieters Hotelplan, spiele sie höchstens die passive Rolle des Nichtstörens, hört man aus Migros-Kreisen.

Wildwuchs der Gastronomie

Bezeichnend für den weiterhin vorhandenen Drang nach Autonomie der Regionalfürsten sind die Gastronomiebetriebe. Dort köchelt weiterhin jede Genossenschaft ihr eigenes Süppchen. Neben den bekannten Migros-Restaurants versucht sich der Detailhändler auch ausserhalb der Schweizer Küche, zum Beispiel mit thailändischen Spezialitäten. Doch auf ein schweizweites Konzept konnten sich die Genossenschaften offensichtlich nicht einigen. Zürich betreibt Thai-Restaurants namens Kaimug, Basel hat MyThai-Takeaways im Angebot, und Luzern eröffnete jüngst im Einkaufscenter Zugerland den ersten Sawadee Thai Wok. Die Migros Aare suchte mit den thailändischen Gerichten ihrer Cha-Cha-Restaurants den Erfolg. Vergebens, 2021 machten diese dicht.

Solcher Wildwuchs ist Coop fremd. Asiatisches haben mit den japanischen Restaurants und Abholtheken von Yooji’s auch die Basler im Programm. Die Kette gehört seit 2022 mehrheitlich zu Coop. Schon 2014 kaufte Coop die Marché-Restaurants von Mövenpick. Mittlerweile gehören auch Filialen der US-Schnellimbisskette Popeyes dazu. Wie für die Coop-Restaurants gilt auch für alle anderen Formate ein schweizweit einheitliches Konzept. Anders als bei der Migros gibt es keine Genossenschaftsleiter, die sich mit eigenen Projekten verwirklichen wollen. Der damalige Coop-Chef Hansueli Loosli hatte schon 2001 die 14 Genossenschaften zu einer einzigen zusammengeschweisst.

Ist bei Coop also alles rosarot, während die Migros Feuer unterm Dach hat? Auch Coop kämpft mit Problemen. So ist der Grossverteiler nach zwei teuren Versuchen damit gescheitert, einen Onlinemarktplatz für Elektronikartikel zu etablieren. Im Geschäft mit Elektronik- und Haushaltsgeräten verzeichnen die Läden von Interdiscount und Fust rückläufige Umsätze. Im Gegensatz zur Migros, die gerade versucht, Melectronics loszuwerden, hält Coop an seinen beiden Ladenketten fest und verfolgt dabei einen pragmatischen Ansatz. Filialen, die nicht mehr rentieren, werden geschlossen. Was funktioniert, sind kleinere Standorte an zentralen Lagen in der Innenstadt oder in hoch frequentierten Einkaufscentern. Die Interdiscount–Läden hat der Bereichsverantwortliche Daniel Stucker gerade aufgepeppt. Sie kommen aufgeräumter, mit weniger Krimskrams daher. Smartphones sind dabei eher Lockvogel als Margenbringer. Wenn jemand im Interdiscount nur ein iPhone kauft, verdient der Händler nichts daran. Erst wenn eine Smartphone-Hülle oder ein Ladegerät hinzu kommt, bringt das Gewinn.

Dabei wird die Konkurrenz für Coop immer weniger. Steg und Conrad haben ihre Läden bereits geschlossen. Melectronics macht ebenfalls Filialen dicht, und ein allfälliger Käufer dürfte kaum sämtliche Standorte übernehmen.

Der Cowboy Phlipp Wyss

Auch wenn derzeit vieles positiv läuft für Coop: Eine grosse Niederlage musste Philipp Wyss zuletzt einstecken. Er war es, der bei Coop die Einführung neuer Verträge mit Lieferanten durchsetzte – gegen deren Widerstand. Viele Zulieferer von Coop konnten ihre Rechnungen ab 2021 nur noch über ein Drittunternehmen namens Markant ausstellen. Das sorgte beim Grossverteiler für sinkende Kosten dank geringerem Aufwand. Die Produzenten dagegen mussten Gebühren an Markant bezahlen. Das sorgte bei mittelständischen Unternehmen für tief sitzenden Ärger. In Lieferantenkreisen bekam Wyss, damals noch die Nummer zwei bei Coop, den Übernamen «Cowboy». Als Kompliment war das nicht gedacht. Die Verträge mit Markant riefen dann allerdings die Wettbewerbskommission auf den Plan. Sie fand bei Coop in einer Vorabklärung Anhaltspunkte für missbräuchliche Bedingungen bei der Zahlungsabwicklung. Es drohten eine jahrelange Untersuchung und die Gefahr eines Reputationsschadens. Um den Abzuwenden, krebste Coop zurück und kündigte per Ende 2023 den Vertrag mit Markant. Nun gelten wieder die ursprünglichen Abrechnungsmethoden.

Die Kundschaft spürte davon nichts. Für sie zählen Produktvielfalt, Einkaufserlebnis und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Coop-Chef Wyss kann sich voll darauf konzentrieren, diese Punkte stetig zu verbessern. Migros-Chef Irminger muss sich mit der Implementierung neuer Strukturen, dem Rückbau des Auslandgeschäfts und dem Verkauf verschiedener Geschäftsbereiche herumschlagen. Zuletzt machte der orange Riese mit einem Gewinneinbruch durch Abschreibungen von 500  Millionen Franken und dem grössten Stellenabbau in der Geschichte des Unternehmens negative Schlagzeilen. Das könnte auch so manches Migros-Kind vor den Kopf stossen. Doch dort fehlt es ohnehin zunehmend an Nachwuchs. Jüngere Konsumentinnen und Konsumenten und erst recht Zugewanderte dürften sich weniger für die Geschichte der Migros mit ihrem charismatischen Gründer Gottlieb Duttweiler interessieren als für das beste, möglichst nah zu findende Supermarkt-Angebot. Nostalgie zieht bei dieser Kundschaft nicht. Daher ist Coop nicht auf Coop-Kinder angewiesen.

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