DIE BüRGERLICHEN SPIELEN «RUSSISCHES ROULETTE» MIT DER AHV

Bei der Finanzierung der 13. AHV-Rente spielen die Bürgerlichen auf Zeit. Faktisch wollen sie damit ein höheres Rentenalter erzwingen. Eine defizitäre AHV nehmen sie in Kauf.

Die deutliche Annahme der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente hat das Selbstverständnis der bürgerlichen Schweiz erschüttert. Erstmals votierte das Stimmvolk am 3. März für eine linke Sozialausbau-Vorlage. Die Verlierer haben Mühe, dies zu akzeptieren. Das zeigt der Entscheid der nationalrätlichen Sozial- und Gesundheitskommission vom Freitag.

Eine knappe 13:12-Mehrheit war gegen eine separate Finanzierungsvorlage für die 13. AHV-Rente. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hatte eine Erhöhung der Lohnabzüge, eventuell kombiniert mit einer Anhebung der Mehrwertsteuer, vorgeschlagen. Den Anstoss für die Ablehnung gab der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt.

Die SP reagierte scharf auf den Kommissionsentscheid. «Die Bürgerlichen präsentieren sich als schlechte Verlierer», liess sich Co-Fraktionschefin Samira Marti in einer Mitteilung zitieren. Silberschmidt hingegen betonte gegenüber der NZZ, die «Pflästerlipolitik» müsse ein Ende nehmen. Man könne nicht immer noch mehr Geld in das Sozialwerk einschiessen.

Leidensdruck beim Rentenalter

Faktisch ist Silberschmidt laut NZZ bereit, Verluste bei der AHV in Kauf zu nehmen. Dadurch entstehe der «Leidensdruck», um die Bevölkerung von einem höheren Rentenalter zu überzeugen. Ein solches strebt der FDP-Nationalrat seit Jahren an, doch eine entsprechende Initiative der Jungfreisinnigen wurde ebenfalls im März vom Stimmvolk klar abgelehnt.

Von einer Missachtung oder Torpedierung des Volkswillens wollen die Freisinnigen nichts wissen. «Es steht ausser Frage, dass die 13. AHV-Rente ab 2026 ausbezahlt wird», sagte Parteipräsident Thierry Burkart in einem NZZ-Interview vom Montag. Bei der Frage der Finanzierung brauche es eine umfassende Auslegeordnung «und keinen Schnellschuss».

Warten auf die nächste Reform

Konkret bedeutet dies: Die Bürgerlichen unter Federführung der FDP wollen die Frage in der nächsten AHV-Reform regeln, die der Bundesrat aufgrund einer Forderung des Parlaments bis 2026 vorlegen muss. Darin dürfte auch das Rentenalter zum Thema werden. Bei der abgelehnten Initiative sei vor allem der Automatismus kritisiert worden, meint Burkart.

Wie der Arbeitgeberpräsident mit einem höheren Rentenalter die AHV sanieren will

Die FDP ist folglich bereit, die 13. Rente für eine gewisse Zeit aus dem AHV-Ausgleichsfonds zu finanzieren. Dieser aber soll kurzfristige Schwankungen kompensieren, um die Rentenzahlungen zu garantieren. «Der AHV-Ausgleichsfonds darf in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken», heisst es im AHV-Gesetz.

Empfehlung an den Bundesrat

Die Formulierung «in der Regel» kann «gummig» interpretiert werden. Dennoch handelt es sich um eine heikle Strategie. Die AHV ist das populärste Sozialwerk der Schweiz. Ihre «Pleite» zu riskieren, kann für die Bürgerlichen ins Auge gehen. Oder anders gesagt: Sie spielen «russisches Roulette» und hoffen, dass nicht die einzige Patrone abgefeuert wird.

Vielleicht hat die Kommission die Finanzierungsfrage deshalb nicht als konkreten Vorstoss verabschiedet, sondern «nur» als Empfehlung an den Bundesrat. Sie ist nicht bindend. Falls die Gesamtregierung mitspielt, kann Baume-Schneider ihre Vorschläge nach wie vor ins Parlament bringen. Und dort könnte es zu einem pikanten Showdown kommen.

Dabei könnte die FDP isoliert dastehen. Mitte-Präsident Gerhard Pfister kritisierte den Kommissionsentscheid vom Freitag auf X, und selbst auf die SVP ist bei der Altersvorsorge kein Verlass. Die Lust auf Experimente bei der AHV dürfte sich in Grenzen halten. Gleichzeitig könnte die SP Munition für die Prämienabstimmung im Juni erhalten.

Eine umfassende Gesamtschau bei der AHV ist notwendig, wegen der Demografie und der 13. Rente. Die FDP-Vorschläge wirken dennoch unausgegoren. Bis die AHV-Reform «steht», werden einige Jahre vergehen, in denen der Ausgleichsfonds «ausgeblutet» werden soll. Es ist jedoch keine besonders gute Idee, russisches Roulette auf Kosten der Pensionierten zu spielen.

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