KüNSTLICHE INTELLIGENZ UNTERSTüTZT NEU BEI DER PALLIATIVPFLEGE

Eine Studie in den USA zeigt: KI könnte im palliativen Bereich Kosten senken und die Lebensqualität erhöhen. Auch die Schweiz forscht.

In den USA läuft ein Pilotversuch mit Künstlicher Intelligenz (KI) im Palliative Care Bereich – die Behandlung bei schwerer Krankheit am Lebensende. Im Gesundheitsforschungsunternehmen Mass General Brigham (MGB) in Boston hilft das Programm «Smart Hospice», Patienten mit Bedarf nach Palliative Care zu identifizieren. Zum Einsatz kommt dabei auch künstliche Intelligenz (KI), wie das amerikanische Fachblatt «Fierce Healthcare» berichtet.

Die erste Testphase von «Smart Hospice» dauerte sechs Monate. Die am Onlinekongress «Value Based Summit» liessen aufhorchen.

Nach der Einführung von Smart Hospice in einem Akutkrankenhaus in Boston wurden neun Prozent der Patienten im Programm zur Prüfung vorgeschlagen. Innerhalb von sechs Monaten erhielten 40 Patienten Palliative Care. Ohne die Unterstützung durch Smart Hospice wären 17 dieser Patienten nicht als Palliativpatienten eingestuft worden und hätten die nötige Behandlung nicht erhalten.

In der Pilotstudie waren die hohen Gesundheitskosten am Lebensende ein Antreiber. Ein Erfolg, denn mit der Verlegung von 13 Patienten konnte eine Einsparung von 850'000 Dollar erzielt werden. «Palliative Care ist personalintensiv und hat daher auch seinen Preis», meint David Blum (48), Spezialist für Palliative Care am Universitätsspital Zürich.

KI bald in Schweizer Spitälern?

Auch in der Schweiz setzt man sich mit diesem Bereich auseinander, wie Blick weiss. «Im Alltag kommt KI noch nicht zur Anwendung, aber auch wir forschen dazu, ob und wie KI in der Palliative Care eingesetzt werden kann», bestätigt Blum.

Konkret wurde bereits eine Umfrage durchgeführt, in der die Akzeptanz gegenüber dem Einsatz von digitalen Massnahmen in der Pflege am Lebensende erfragt wurde. Das Resultat: Digitale Unterstützung für die Ärzteschaft stiess unter den befragten Palliativpatienten auf hohe Akzeptanz. Blum als Mitautor der Publikation führt dies auf die vielen Gadgets zurück, die bereits genutzt werden – wie Health-Apps und Smartringe.

Knackpunkt: Datenbeschaffung

Generell begrüsst Blum die Unterstützung bei der Identifizierung von Patienten, die Palliativpflege benötigen. Er sagt: «Es ist heute leider so, dass nicht alle, die Palliative Care brauchen, diese auch erhalten. Solche Ansätze können helfen, das zu verbessern.»

Allerdings sei dies in der Schweiz schwieriger zu bewerkstelligen als in Amerika. Um eine nützliche Einschätzung zu erhalten, braucht es sehr viele Daten. Das Gesundheitswesen in der Schweiz sei viel fragmentierter als in Amerika. Einheitliche Daten zu erhalten, gestaltet sich schwierig.

Entscheidung bleibe beim Menschen

Blum betont, dass der Mensch im Zentrum bleibt. «Solche Ansätze ersetzen nicht die menschliche Begegnung, sondern bieten Unterstützung», sagt der Facharzt.

Das heben auch die Verantwortlichen von «Smart Hospice» hervor. Das System stelle mit einer Datenanalyse zusätzliche Informationen zur Verfügung. Die Entscheidung für einen Behandlungsstart oder die Spitaleinweisung trifft letztlich immer der Arzt oder die Ärztin.

KI ja, aber nicht ausschliesslich

Geht es um Palliative Care, haben die Gesundheitssysteme in Amerika und der Schweiz einen grundlegenden Unterschied, erklärt Jan Gärtner (51), Klinikleiter und Chefarzt im Palliativzentrum Hildegard in Basel. In den USA werden die KI-Systeme oft eingesetzt, um Hospizpatienten zu identifizieren, die keine weiteren lebensverlängernden Massnahmen sowie Therapien gegen die Grunderkrankung mehr bekommen sollen, wie zum Beispiel eine Chemotherapie. Palliative Care beginnt jedoch viel früher, um zusätzlich zu lebensverlängernden Massnahmen die Lebensqualität zu verbessern.

«Wenn man KI allein einsetzen würde, dann würde man die Patienten verpassen, die lange vorher schon Palliative Care benötigen», sagt der Chefarzt. Denn die KI stützt sich auf historische Gesundheitsdaten und nicht die aktuelle Belastung der Patienten, etwa durch Ängste, Atemnot oder Schmerzen.

«KI kann aber eine wirklich sinnvolle Massnahme sein, um den Teil der Patienten zu identifizieren, die heute unterversorgt sind», ergänzt Gärtner. So kann es vorkommen, dass Herz- und Lungenpatienten viel zu selten als palliativ eingestuft werden und am Ende auf der Intensivstation unter Vollbehandlung sterben, anstatt zu Hause oder im Palliativzentrum. «In diesem Fall sind KI-Identifikationstools eine Chance.»

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