BLICK NIMMT DIE PASSAGIERLISTE DES BUNDESRATSJETS UNTER DIE LUPE: AUSSENMINISTER CASSIS FLIEGT AM MEISTEN IM INLAND

Über den Gotthard, da fliegen nicht nur die Bremen – sondern auch ziemlich häufig der Bundesratsjet. Fast 100-mal war Aussenminister Cassis vergangenes Jahr mit einem der beiden Jets unterwegs. Häufig nur für ganz kurze Strecken.

Als Aussenminister und amtierender Bundespräsident war Ignazio Cassis (62) vergangenes Jahr Dauerpassagier im Bundesratsjet. 95-mal war der FDP-Bundesrat 2022 in der Falcon mit der Kennung T-785 oder der bundeseigenen Cessna unterwegs. Allerdings führten in die Flüge längst nicht immer ins Ausland oder zurück.

Bei 44 Reisen handelte es sich um Inlandflüge, wie eine Auswertung zeigt. Blick hat dafür von allen Departementen gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz die Passagierlisten verlangt und ausgewertet.

Kein anderer Bundesrat nutzt den Bundesratsflieger so oft – vor allem nicht für Reisen innerhalb der Schweiz. Die anderen Bundesrätinnen und Bundesräte nutzen innerhalb der Landesgrenzen praktisch immer den Heli, wenns schnell gehen muss. Am wenigsten hat die damalige Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga (63) vergangenes Jahr den Flieger genutzt: nur 13-mal.

Von Bern nach Hause ins Tessin

Rund jeder zweite von Cassis' Flügen startete oder landete in Lugano-Agno, dem nächstgelegenen Flughafen von seinem Zuhause in Montagnola TI. Durchschnittlich einmal im Monat reiste der Aussenminister mit dem Jet von Bern-Belp ins Tessin oder zurück. Kein Wunder, nennen freche Zungen in der Verwaltung den Bundesratsjet längst «Taxi Ticino».

Bereits 2021 war kein anderer Bundesrat so oft in der Luft unterwegs wie Cassis. Knapp eine Woche verbrachte der Aussenminister damals insgesamt in der Luft.

Cassis' Sprecher teilt auf Anfrage mit, bei den Inlandflügen handle es sich um Geschäftsreisen, bei denen es aufgrund des Terminkalenders nicht möglich war, ein anderes Verkehrsmittel zu benutzen. «Innerhalb unseres Landes reist Bundesrat Cassis in erster Linie mit dem Auto oder dem Zug. Wenn diese Verkehrsmittel aus Termingründen nicht bevorzugt werden, fällt die Wahl je nach Strecke, Planung und Wetter auf das Flugzeug oder den Helikopter.»

Cassis fliegt nicht gern allein

Was Cassis' Flugliste zudem offenbart: Keiner ist so gastfreundlich wie der Tessiner Bundesrat. So flog bei ihm im Jet mal der australische Botschafter mit, ein andermal die Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu (51) und deren Bodyguard. Diese war in Genf, und da Cassis zu einem Besuch nach Bukarest aufbrach, habe er ihr angeboten mitzufliegen, heisst es bei seinem Departement auf Nachfrage.

Aber auch Schweizer Politiker und Politikerinnen durften mit Cassis immer wieder ins Ausland jetten, ebenso wie Journalistinnen und Journalisten.

Wirtschaft fliegt mit

Auch andere Bundesräte waren mit Begleitung in der Luft. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) holte sich mit Jan Atteslander wortwörtlich die Wirtschaft an Bord. Er habe spontan mit Parmelin einen Anlass der Schweizer Botschaft in Berlin besucht – und mit dem Minister nach Bern zurückreisen dürfen. «Es ist doch gut, dass freie Sitze im Bundesratsjet vermieden werden», sagt der Leiter Aussenwirtschaft des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse zu Blick über die Mitflieggelegenheit.

Es war nicht das erste Mal, dass Atteslander im Bundesratsjet sass. Auch der frühere Bundesrat Johann Schneider-Ammann (71) hatte ihn auf Reisen mitgenommen, erzählt er.

Familie kommt ganz selten mit

Dass eine Bundesrätin oder ein Bundesrat sich von einer Wirtschaftsdelegation begleiten lässt, ist nicht aussergewöhnlich. Auch alt Bundesrätin Sommaruga hatte letztes Jahr bei ihren vergleichsweise seltenen Flügen Wirtschaftsvertreter mit an Bord.

Anders Karin Keller-Sutter (59). Bei ihr flog im vergangenen Jahr kein einziges Mal eine Politikerin oder ein sonstiger Gast mit, sondern immer nur ihr engstes berufliches Umfeld. Berset und Parmelin nahmen sporadisch ihre Ehefrauen mit.

In der Schweiz ist es kein Problem, wenn Familienangehörige mitfliegen. Anders als in Deutschland, wo die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (57) in die Kritik geriet, weil sie ihren Sohn auf Dienstflüge mitgenommen hatte. Auf der Fluggastliste der letzten beiden Jahre taucht jedoch kein Sprössling eines Bundesrats auf.

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