«WIR KöNNEN IM METAVERSE AUTOS VERKAUFEN»

Skoda ist den Schweizern eine ihrer liebsten Automarken. CEO Klaus Zellmer über Elektro, Design und seinen Chef.

Skoda ist der längst nicht mehr heimliche Star in der Volkswagen-Gruppe. Die Autos fahren auf Augenhöhe mit Schwester VW, und die Renditen sind meist sogar besser. Klaus Zellmer soll die Marke als CEO ins Elektro-Zeitalter führen. Direkt vor dem Interview, das beim Stammwerk in Tschechiens Mladá Boleslav stattfindet, hat er Modelle seiner sechs neuen Skoda-Stromer vorgestellt.

Herr Zellmer, Sie sind im Juli 2022 von Wolfsburg nach Mladá Boleslav gewechselt. Ihre ersten Eindrücke?

Die Mannschaft hat viel Drive, eine Can-do-Attitüde und eine enorme Identifikation mit der Marke. Das reicht teilweise über Generationen, ganze Familien arbeiten hier. Komplizierte Probleme werden ganz pragmatisch gelöst – ich nenne das mal den tschechischen Geist, den man hier spürt. Und ich finde, das überträgt sich auch auf die Autos: clevere Lösungen für die Kunden.

An das tschechische Bier haben Sie sich gewöhnt?

Absolut. So ein Pilsner ist schon was Gutes.

Sie waren viele Jahre bei Porsche, eine andere Welt. Lässt sich dennoch etwas übertragen?

Dieser Spirit, der Antrieb der Menschen, ist vergleichbar: die hohe Identifikation, die dann zu hoher Motivation führt. Das habe ich bei Porsche auch gesehen. Die Segmente sind natürlich nicht vergleichbar – aber der Weg, wie sich eine Marke emotional aufladen lässt. Das werden wir bei Skoda noch verstärken: bei unseren Zielgruppen noch mehr auf die Emotion setzen, unsere Autos fahren zu wollen.

Sie haben eine lange Karriere im Marketing gemacht. Viele andere Bosse, auch Konzern-CEO Oliver Blume, kommen aus technischen Bereichen. Ergibt sich daraus auch als CEO eine andere Herangehensweise?

Klar, jeder hat seine individuellen Stärken, die spielen schon eine Rolle im Tagesgeschäft. Für einen CEO ist aber genauso wichtig, dass er ein gutes Team hat. Und da habe ich wirklich in allen Disziplinen absolute Experten in unserem siebenköpfigen Vorstand. Logisch könnte ich nicht über Nacht die Produktionsleitung übernehmen oder die technische Entwicklung. Am Ende des Tages ist man eine Art Team-Captain wie im Fussball: Es hilft, wenn man die eine oder andere Position schon gespielt hat und weiss, wie man die richtige Ansprache an die Mannschaft findet. So ist es hier auch.

Sie wechseln einen CFO von Porsche ein. Ihr neuer Wunsch-Vorstopper?

Klar, das ist mein Wunschkandidat. Weil er Herausragendes in seiner Laufbahn geleistet hat. Es hilft, dass wir uns von Porsche kennen. Aber Holger Peters hat sich in vielen Konzernbereichen bewiesen, etwa bei der Akquisition von Europcar, in Gruppenfunktionen, als Controller, er war auch in Grossbritannien fürs Retailgeschäft zuständig. Mit seinem ganz breiten Erfahrungsschatz wird er uns im Querschnittsressort Finanzen viel helfen.

Als alter Porsche-Mann haben Sie doch sicher noch einen 911 in der Garage – den Sie hier in Tschechien vermutlich nur nachts rausholen?

Ich habe ein ganz tolles klassisches Auto, einen Skoda Felicia aus dem Jahr 1960, als Cabrio. Wir haben hier bei Skoda jedes Jahr eine Rallye, mit Mitarbeitern, Familien, da konnte ich zum ersten Mal mitfahren. Das hat viel Spass gemacht.

Und der Porsche?

Na ja, ich habe Benzin im Blut. Natürlich steht noch einer in der Garage.

Wie managen Sie Ihre Zeit? Leben Sie beim Werk in Mladá Boleslav oder in Prag?

Ich habe eine Wohnung in Prag und pendle ins Werk. Das funktioniert ganz gut. Sind nur 45 Minuten.

Es heisst, Sie seien für Ihren «dynamischen Managementstil» geholt worden. Also fürs straffe Umsetzen der Strategie. Würden Sie das als Ihre Kernkompetenz bezeichnen?

Das liegt mir auf jeden Fall. Neben meinem Verständnis für Markenführung bin ich ein sehr strukturierter Manager; Strategie ist nichts wert, wenn ich sie nicht in Scheiben schneide und umsetze. Das ist auch mein Anspruch an mich selbst: das zügige Umsetzen. Wir haben sechs neue BEVs, also rein elektrische Fahrzeuge, angekündigt, das ist ein sehr ambitionierter Plan.

Ihr Vorgänger Thomas Schäfer ist jetzt als Chef der sogenannten Markengruppe Volumen mit VW, Skoda, Seat/Cupra und VW Nutzfahrzeuge Ihr Vorgesetzter. Klappt das? Nicht jeder CEO kann gut loslassen …

Er hat jetzt einen sehr herausfordernden Job bei Volkswagen und beim Orchestrieren der Markengruppe Volumen. Und er weiss, dass Skoda in guten Händen ist, nicht nur wegen mir, auch wegen des gesamten Teams. Ich arbeite sehr gern mit ihm zusammen – er ist Skoda-Fan, er kennt die Marke und hat Vertrauen in uns.

Sie haben im schwäbischen Nürtingen studiert, am Institut für Automobilwirtschaft …

… ja …

… und sind Mitglied der Studentenverbindung Automobilia. Diese Organisation ist wohl einzigartig. Was geht da ab, wenn Sie sich treffen?

Das ist toll! Kürzlich war ich bei einem Talk, da war auch der Marketing- und Sales-Verantwortliche von Ferrari Europa dabei – ebenfalls ein Absolvent. Ich war einer der ersten Absolventen dort, habe alles mitgemacht, inklusive Aufenthalten in England und den USA. Nach dem Abschluss bin ich noch drei Jahre am Institut geblieben.

Beim legendären Professor Willi Diez.

Genau. Ich bin sehr verbunden mit dieser Hochschule.

Die Verbindung war wohl nicht schlagend, sondern fahrend?

Fahrende Verbindung klingt cool (lacht). Ja, wir haben auch Ausfahrten unternommen. In meiner Porsche-Zeit hatte ich die Automobilia-Leute mal eingeladen, und die werden sicher auch mal nach Tschechien zu Skoda kommen, um sich hier umzuschauen.

Die Gretchenfrage für einen Skoda-CEO ist stets die Positionierung der Marke innerhalb des Konzerns, vor allem verglichen mit VW. Schäfer will VW als «love brand» vermarkten, Sie haben als Kundengruppe «contemporary explorer» im Auge. Und Sie haben einmal gesagt, Skoda werde an VW heranrücken, aber anders sein. Also wie jetzt?

Wenn ich unsere Designsprache anschaue und die genannte Zielgruppe: Das sind Leute, die Erfahrungen draussen suchen, mit der Familie unterwegs sind, die einen verlässlichen Mobilitätsuntersatz wollen. Und Design schafft Identität – unsere neue Designsprache hat jetzt eine grosse Durchgängigkeit. Wir haben sehr klare Flächen, klare Linien, einen hohen Wiedererkennungswert, auch diese starke Schulter, die Sicherheit vermittelt.

Man kann sich ja fragen: Taugt ein Skoda zum Statussymbol?

Vielleicht ist ein Skoda ein Statussymbol für jemanden, der oder die kein Statussymbol braucht! Ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis und ein schönes Auto. Es ist nahezu klassenlos.

Und die interne Abgrenzung?

Die Richtung ist gut. Wir müssen schauen, dass wir Konzernmarken uns nicht gegenseitig auf den Füssen stehen bei der Kundenansprache. Cupra etwa ist mit dem Raval und anderen Modellen ganz weit weg von uns. Wir sind «modern solid». Volkswagen wird sich dazwischen ansiedeln. Schauen Sie sich den VW ID. 2all an.

Eine Art VW Golf mit Batterieantrieb.

Das ist ein ganz anderes Auto als die, die wir kürzlich präsentiert haben. Darum gehts: Wir wollen uns nicht gegenseitig die Kunden wegnehmen, sondern im Konzern gemeinsam wachsen. Die Marken sind klar positioniert, maximal differenziert.

Ihr kleiner künftiger Stromer ist im Preis sehr nah am ID. 2. Geht es nicht mehr tiefer? Oder arbeiten Sie noch an einem BEV für unter 20 k?

Volkswagen peilt für die Serienversion des ID. 2all einen Preis von unter 25'000 Euro an. Das ist ein kleineres Auto als unseres, wir werden ein elektrisches Einstiegs-SUV anbieten. Wir haben gesagt: im Bereich von 25'000. Die genauen Preise der Fahrzeuge werden wir später festlegen. Das generelle Thema ist: Bis wir den Tipping Point erreichen, an dem BEVs, also reine Stromer, nicht mehr teurer sind als Verbrenner, wird es noch dauern. Unseren kleinen Fabia können Sie ab etwa 15'000 Euro kaufen. Die Frage ist: Können wir unter 20'000 einen Stromer mit vergleichbarer Qualität und Design bringen? Wir schauen uns die Möglichkeiten an, denn das ist ein wichtiger Markt. Aber bei den derzeitigen Kosten für Rohmaterial oder Batterien wird das schwierig.

Wird Skoda die Führung im Konzern haben für ein solches Klein-BEV?

Skoda ist eine der Marken, die ein Proposal für Wolfsburg dafür zusammenstellen.

Bleibt zumindest auf einer abstrakten Ebene die alte Skoda-Positionierung bestehen: günstiger als VW, aber mit grösserem Platzangebot?

Ja. Raum und Funktion. Das sind wir, und das werden wir bleiben.

Ihr Octavia war über Jahre in der Schweiz das meistverkaufte Auto. Neu verkauft Skoda mehr kompakte Karoq-SUVs. Einige Marken sprechen aber inzwischen vom Auslaufen der SUV-Welle. Womit rechnen Sie?

Ich nehme nicht wahr, dass sie abnimmt. Das geben auch unsere Zulassungszahlen nicht her. Die jüngsten Daten sind zudem stark verzerrt durch die Halbleiterkrise. Beim Octavia ist es wahrscheinlich, dass wir nicht vorne bleiben konnten, weil wir die Halbleiter nicht hatten. Aber das sollte sich allmählich entspannen. Im März hatten wir zum ersten Mal wieder volle Kapazität in der Produktion.

Die Skoda-Abteilung der Amag ist von Ihnen als «Importeur des Jahres» ausgezeichnet worden. Wofür genau?

Dieser Award wird jährlich durch ein Topmanagement-Team von Skoda Auto vergeben. Kriterien sind neben Vertriebs- und Servicezahlen auch Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Markenimage.

Sie sprechen neuerdings von stärkerer Kundenorientierung. Wie geht das? Stellen Sie sich in die Garagen zum Gespräch?

Auf die Kunden haben wir immer schon gehört, aber klar, es gibt immer Spielraum für Verbesserungen. Aus diesem Grund haben wir in Prag unser Holistic User Experience Center eröffnet, das die gesamte Customer Journey simuliert. Wir bewegen uns dort konsequent in den Kundenschuhen, wollen vor allem die Integration der digitalen Kundenbedürfnisse, Apps etwa, einfacher machen. Autos bauen können wir bestens, das kommt jetzt noch dazu.

Vorstände als Testkunden?

Was ich auch gern mache, ich nenne es «social listening». Ich bin zum Beispiel der Facebook-Gruppe zu unserem E-SUV Enyaq beigetreten. Die hat 7000 Mitglieder, und irgendwer schrieb mir: Sind Sie der Klaus Zellmer? Musste ich natürlich zugeben.

Warum sind Sie da rein?

Da lese ich, was die Leute bewegt, was sie nervt. Oder die Kommentare, wo Leute anderen Tipps geben oder Fragen beantworten. Ich höre der Community zu.

Wie sehen Sie die Zukunft der Plug-in-Hybride? Einige Länder kappen ja die steuerliche Förderung.

Wir haben schlicht nicht genug bauen können, weil uns die Halbleiter gefehlt haben. Meine Antwort ist: Die Nachfrage wird riesig sein, sofern wir das richtige Package anbieten können. Eine Reichweite von 100 Kilometern oder mehr schafft einen grossen Vorteil: Man kann das Auto für 90 Prozent der Pendlerstrecken nutzen. Zudem gewöhnen sich die Fahrer an den Batterieantrieb. Plug-in-Hybride sind das richtige Mittel auf dem Weg zum BEV.

Tesla hat kräftige Preissenkungen in den Markt gebracht. So etwas kennt die gesamte Autobranche nicht. Welche Auswirkungen wird das haben?

Einige Leute nennen es Preiskampf. Aber Kunden entscheiden ja anhand vieler Faktoren, welches Auto sie kaufen: Von wem kommt es, wie sieht es aus? Gibt es Händler- und Servicenetze? Ist es aus Europa und sichert hier Arbeitsplätze? Und es geht nicht nur um den Einkaufspreis, sondern auch um das Thema Restwertstabilität aktueller Fahrzeuge unserer Kunden. Diese würde bei Preisnachlässen für Neuwagen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Skoda ist jetzt im Metaverse. Wozu?

Der logische nächste Schritt in der digitalen Entwicklung ist ein Metaverse, wo es nicht nur Informationen gibt, sondern Erfahrungen und Avatars. Wir probieren uns hier aus. Es ist ein Testlauf, ob wir dort Menschen finden, die sich mit uns verbinden und die das bisher nicht getan haben. Auch ein jüngeres Publikum womöglich.

Glauben Sie, dass Sie dort einmal Autos verkaufen können?

Definitiv. Wenn man Autos online verkaufen kann, dann kann man das sicher auch im Metaverse.

Skoda will elektrisch werden, aber die Kunden kaufen immer noch mehr Verbrenner. Andere Marken steigen trotzdem voll auf E um. Was tun Sie?

Auch für uns sind Klimaschutz und Nachhaltigkeit grosse Themen, da gibt es schlicht keinen Plan B. Wir arbeiten für all unsere Fahrzeuge an umweltschonenden Lösungen – beim Material, in der Produktion, im Verbrauch. Gehen wir davon aus, dass das Ende für den Verkauf von Verbrennern in Europa 2035 tatsächlich kommt: Wir wollen unseren Kunden bis dahin die Möglichkeit bieten, reine Stromer zu kaufen, effiziente Verbrenner zu kaufen oder Plug-in-Hybride. Das reflektiert den Markt, also den Willen der Konsumenten.

Haben Sie einen Plan in der Schublade, falls das Aus 2035 doch nicht kommt?

Nein, daran arbeiten wir nicht. Es ist noch weit weg. Unser Plan ist und bleibt: Wir steigern die Nachhaltigkeit unserer Produkte Jahr für Jahr, richten uns nach den rechtlichen Rahmenbedingungen – und der Nachfrage der Kunden.

2023-05-25T08:10:42Z dg43tfdfdgfd