DIE URIGE UHR AUS DEM AARGAU

Oscillon bringt bald seine zweite Kreation auf den Markt: Fundamentum. Ein eigentliches Manifest: hundert Prozent Handwerk, null Prozent Marketing.

Die schlichte Uhr ist von Hand gemacht, zeigt Stunden sowie Minuten an und hat eine kleine Sekunde. Mehr nicht. Sie heisst, kein Zufall, Fundamentum, und dahinter stecken vorab zwei Männer und ihre Marke Oscillon: Dominique Buser und Cyrano Devanthey – jetzt auch noch von zwei Uhrmachern unterstützt, David Friedli und Yan Hegelbach. Für die Gründer der Marke ist das Stück eine Rückkehr zu den Wurzeln, ein «Back to the roots», wie man im aargauischen Buchs sagt, wo sie ihre Werkstatt haben.

Es ist ihre zweite Kreation. Und diesmal bauen sie nicht mehr Stück nach Stück, sondern in Mikroserien: Die erste Charge von fünf Uhren ist in Produktion. Eine reine Leistung eines wirklich unabhängigen Unternehmens, vom Entwurf bis zur fertigen Uhr. «Wenn wir in die Phase der Dekoration kommen, sind 80 Prozent der Arbeit bereits erledigt», erklärt Dominique Buser. Viele Ateliers arbeiten im umgekehrten Verhältnis, das heisst, 80 Prozent der Arbeit bestehen aus Dekoration. Womit auch klar ist, dass bei Oscillon kein Rhetorik-Brimborium zum Verkauf gepflegt wird, zu wenig vielleicht sogar, um die Kreationen aus der kleinen und verschworenen Connaisseur-Ecke herauszuhieven.

«Wir haben Entscheidungen getroffen, die nicht sehr kommerziell sind», bestätigt man bei Oscillon, fast militante Entscheidungen, könnte man sagen. Das Zifferblatt der Fundamentum zum Beispiel hat keine Öffnung – es gibt keinen Blick frei auf das Werk. Will man die Endbearbeitung der Mechanik sehen, man muss die Uhr umdrehen. Auch die Namen der Kreateure sind nicht aufgeführt: «Wir haben uns für einen klassischen, zeitlosen Stil entschieden», erklärt Cyrano Devanthey. Im Hinterkopf habe man zur Inspiration dabei einige Musterstücke, zum Beispiel alte Tourbillons von Patek Philippe, wo man das Tourbillon nicht sehe. Stattdessen «nur eine saubere Arbeit, eine Arbeit von Uhrmachern für Uhrmacher».

Dominique Buser und Cyrano Devanthey brauchten zehn Jahre, um ihre erste Uhr zu entwickeln, «L’instant de vérité». Sie haben acht Stück verkauft, das letzte Exemplar wurde Anfang dieses Jahres ausgeliefert. Jetzt setzt Oscillon auf das neue Modell Fundamentum, um etwas präsenter zu sein und an Sichtbarkeit zu gewinnen.

Ansonsten hat sich nichts geändert, es bleibt bei den alten Prinzipien, die weiter bekräftigt werden: «Eine Nische in der Nische und viel Understatement», so umschreibt Buser die Marke, als wollte er sich von den Dämonen des Marketings und des Storytellings abgrenzen.

Dabei gäbe es einiges zu erzählen. Hinter jeder Geste, die es zum Bau einer Oscillon-Uhr braucht, steckt eine Geschichte, hinter jeder Maschine auch, hinter jeder Wahl. Das Zifferblatt in der Version aus passiviertem Silber zum Beispiel ist das Ergebnis einer Reihe von Iterationen, Experimenten und einer Art Kochrezepten. Die Ramoleye- oder Tapisserie-Guilloche-Maschine zum Beispiel musste sozusagen gezähmt werden, um das erwünschte Reliefschachbrett zu schaffen. Man musste testen, analysieren und mitunter ganz von vorne beginnen. Die ersten Zifferblätter waren verzogen, also musste eine Lösung gefunden werden. Man fand sie in einer leichten Erwärmung, doch jetzt war das Dekor stumpf geworden. Mithin kam die Ramoleye-Maschine ein zweites Mal zum Zug.

Dominique Buser und Cyrano Devanthey hatten völlig unterschätzt, wie viel Zeit es braucht, um eine Uhr vollständig herzustellen. Sie mussten manches lernen und Lehrgeld bezahlen. Die ersten Stücke wurden unter den Produktionskosten verkauft, die Fundamentum beginnt jetzt preislich bei 155’000 Franken, das erscheint ihnen fair. Das ursprüngliche Ziel diesbezüglich hat sich ohnehin nicht geändert: «Wir wollen die Mitarbeiter angemessen bezahlen.» Mehr nicht. Ein Salär wurde festgelegt, sollte es zu einem Gewinn kommen, wird er reinvestiert.

Doch bis es so weit ist, wird Oscillon quersubventioniert, und zwar durch die Einnahmen aus Aktivitäten, die Buser und Devanthey parallel unter dem Firmennamen Bumont leisten. Buser gründete Bumont 2007, kurz nachdem er mit den Leuten der Marke Urwerk die Opus-V-Uhr für Harry Winston entwickelt hatte. Buser ist nach wie vor Urwerks Stammkonstrukteur und teilt den Rest seiner Zeit zwischen Oscillon sowie Lehrtätigkeiten auf. Ähnlich sieht es bei Devanthey aus: Neben der Arbeit für Oscillon und etwas Unterricht amtet er als Konstrukteur für mehrere Marken. Zurzeit unterstützt er Sherpa Watches, Goldvish und Sanochron, eine österreische Marke für vernetzte Uhren. Und daneben auch noch den Genfer Uhrenbauer Charles Girardier, der übrigens im Nachbarraum eine Werkstatt für den Zusammenbau von Prototypen eröffnet.

Sozusagen als Sahnehäubchen auf dem Terminkalender lassen es sich die beiden nicht nehmen, immer wieder auch eine ihrer – wie sie es nennen – Schnapsideen zu verwirklichen: einen Schreibstift mit Vorhängeschloss zum Beispiel. Man muss einen Code eingeben, um ihn benutzen zu können, 27 Komponenten sind dafür nötig, die Produktion ist angelaufen, die Vermarktung steht kurz bevor. Und eine Marke wurde angemeldet: Scriptum.

«Eigentlich stellen wir diese Teile für uns selber her», sagt Cyrano Devanthey. Und Dominique Buser ergänzt: «Wir nehmen alles, was den Geist öffnet, sonst wird die Sache schnell ein bisschen religiös.»

Statt einer Religion haben die beiden eine ganz eigene Philosophie. Kurz gesagt beginnt alles mit der Faszination für die Mechanik und dem Glück der kleinen Handwerkstätigkeiten, so wie man seinen Garten bewirtschaftet. Buser nimmt die Fundamentum zur Veranschaulichung hervor: «Die Uhr an sich ist nicht spektakulär – es ist der Weg dahin, der spektakulär ist. Andere Uhren wären leichter zu verkaufen. Aber es liegt an uns, streng zu bleiben, zu widerstehen, zum Beispiel das Zifferblatt nicht zu öffnen.»

Die Entscheidung, sich in Buchs AG, ausserhalb der Uhrenindustrie, niederzulassen und hier alle von Hand bedienbaren Maschinen in einem schier banalen Raum zu versammeln, hat einen klaren Hintergrund. «Wären wir zum Beispiel in Le Locle, fänden wir jedes Mal jemanden, der uns helfen würde, wenn wir eine Frage haben. Und am Ende würden wir das Gleiche tun wie alle anderen», sagt Dominique Buser. «Hier sind wir gezwungen, zu entdecken und auszuprobieren», ergänzt Cyrano Devanthey, «der Preis dafür sind all die Projekte, die wir parallel dazu durchführen müssen.»

Die Fundamentum-Uhr verdankt den Namen ihrer Essenz: Sie ist ganz im Stil der Marke auf das Wesentliche beschränkt und verzichtet auch auf auf die Spezialität der Erstlingskreation, die Tensator- oder Rollfeder. Die ganze Komplikation liegt in der Ausführung, das Zifferblatt ist, wie erwähnt, in passiviertem Silber mit Tapisserie-Guillochen, die auf der Drehbank nachgearbeitet und von Hand graviert werden. Darauf kommen vernietete Indizes. Das Zifferblatt gibt es auch in einer Email-Version mit blauen Indizes auf weissem Grund. Und das Gehäuse ist aus Stahl, einer Eigenentwicklung.

Auch beim Kaliber heisst die Devise «Reinheit der Konstruktion und der Komponenten». Es hat eine klassische Architektur mit Öffnung in der Mitte sowie eine zentrale Stahlbrücke, entworfen von Oscillon-Uhrmacher David Friedli. Wichtiges Anliegen ist, das zentrale Rad so weit wie möglich freizulegen und nahe an der Funktion zu bleiben. Die übrigen Brücken sind aus Neusilber, inspiriert von alten Uhrwerken, aber im sehr schlichten Oscillon-Stil.

Fazit des Duos: «Wir verstehen heute besser, warum die alten Uhrwerke so gemacht wurden, wie sie gemacht wurden. Bis hin zur Ästhetik, die von der Maschine kommt, nicht vom Designer. Das Werkzeug hat seine eigene Sprache.»

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Watch Around».

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