Die Zuwanderung stärkt die Finanzierung der AHV. Das geht aus einer neuen – noch nicht publizierten – Studie hervor. watson hat sich mit Volkswirtschaftsprofessor und Studienautor Reto Föllmi über die wichtigsten Erkenntnisse unterhalten.
Sie haben aus einer wirtschaftlichen Perspektive untersucht, wie sich die Zuwanderung auf die AHV auswirkt. Was sind Ihre Erkenntnisse?
Reto Föllmi: Migration ist für die AHV sehr positiv. Der Grund ist, dass die Zuwanderung die Bevölkerung in der Schweiz verjüngt. Die meisten Personen, die zuwandern, sind zwischen 20 und 50 Jahre alt. Sie zahlen in die AHV ein, dies entlastet die Sozialversicherungen. Und sie zahlen mehr ein, als sie beziehen. Ohne die Zuwanderung wären vermutlich einige zusätzliche AHV-Reformen nötig gewesen. Durch die Zuwanderung entsteht eine demografische Dividende.
Können Sie Zahlen nennen?
Im Moment ist es so, dass Zugewanderte 40 Prozent der Einzahlungen in die AHV leisten, die ansässige Bevölkerung 60 Prozent. Die Zugewanderten beziehen aber nur 30 Prozent der Leistungen. Das macht eine Differenz von rund 10 Prozentpunkten. Gehen wir von einem mittleren Bevölkerungswachstum aus, wird es 2070 so sein, dass die Zugewanderten 50 Prozent einzahlen und 40 Prozent beziehen. Das Verhältnis bleibt also gleich.
Waren Sie überrascht über Ihre Resultate?
Schon ein wenig. Vor allem, weil jene Menschen, die zuwandern, im Schnitt ein bisschen weniger verdienen als die ansässige Bevölkerung und öfters arbeitslos sind. Der Effekt der Verjüngung auf unsere Bevölkerung dominiert aber diese beiden Faktoren.
Zeigen sich diese Unterschiede bezüglich Einkommen und Arbeitslosigkeit bei allen Zuwanderern?
Bei Zuwanderern aus EU- und EFTA-Staaten sind die Zahlen sehr vergleichbar mit der ansässigen Bevölkerung. Unterschiede zeigen sich vor allem im Vergleich mit Zuwanderern aus Drittstaaten.
«Man muss immer im Blick haben, was passiert, wenn wir keine Zuwanderung mehr hätten.»
Müsste man, basierend auf Ihren Erkenntnissen, die Hürden für Zuwanderung senken, um die AHV zusätzlich zu stärken?
Bei EU- und EFTA-Staaten haben wir ja gar keine Hürden, ausser einem vorliegenden Arbeitsvertrag. Die Grenzen generell zu öffnen, würde vielleicht dazu führen, dass sich die Bevölkerung zusätzlich verjüngt. Es ist aber fraglich, wie stark dieser Effekt wäre. Ich würde beim bewährten System der Personenfreizügigkeit bleiben.
Und bei Drittstaaten?
Geht es um Spezialisten aus Drittstaaten, könnte man die Kontingente lockern. Allerdings sind die Lohnunterschiede dort ziemlich gross, verglichen mit der ansässigen Bevölkerung. Es ist nicht gelungen, aus Drittstaaten spezifisch diejenigen Menschen einwandern zu lassen, die gut verdienen.
Was passiert, wenn die zugewanderten Personen selbst das Pensionsalter erreichen?
Die Schweiz muss weiterhin attraktiv bleiben für gut qualifizierte Zuwanderer, dann kann sie den angesprochenen Verjüngungseffekt durch Zuwanderung beibehalten. Passiert das nicht, profitieren wir die nächsten 20 bis 30 Jahre von diesem Effekt. Danach aber nicht mehr, weil zu wenig Zuwanderer folgen, welche die AHV der ansässigen Bevölkerung, aber auch jene der dann pensionierten Zuwanderer, finanzieren. Man spart mit der AHV ja nicht die eigene Rente an, sie funktioniert nach dem Umlageverfahren.
Sie beleuchten das Thema Zuwanderung aus einer wirtschaftlichen Perspektive. Was sagen Sie zu Schwierigkeiten in anderen Bereichen, die Zuwanderung mit sich bringen kann?
Es ist klar, dass sich die Geschwindigkeit der Zuwanderung in einem sinnvollen Rahmen bewegen muss. Ist das Tempo zu hoch, entstehen Probleme bei der Integration, sei dies sprachlich oder kulturell. Dazu fehlt die nötige Infrastruktur. Dass man dies auf politischer Ebene diskutiert, finde ich absolut okay. Man muss aber immer im Blick haben, was passiert, wenn wir keine Zuwanderung mehr hätten.
Können Sie das präzisieren?
Die jetzige Infrastruktur, beispielsweise Bahnstrecken, ist ja trotzdem da. Die Schweiz schrumpft nicht einfach. Ohne Zuwanderung fehlt das Geld, diese Infrastruktur zu unterhalten. Das wäre eine sehr negative Entwicklung.
Sind Sie der Meinung, dass die Schweiz mit einer zurückgehenden Zuwanderung oder gar einer Abwanderung mehr Herausforderungen hätte als mit der aktuellen Zuwanderung?
Absolut. Die Herausforderungen für die Schweiz wären viel grösser.
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