Ein Begriff sorgt in Deutschland für Aufregung: Wärmewende. Gemeint ist das vom grünen Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck geplante Heizungsgesetz. Es sieht vor, dass neu eingebaute Heizungen ab 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Konkret bedeutet das Wärmepumpen statt Öl- und Gasanlagen.
Diese sind in der Anschaffung jedoch günstiger, weshalb viele Hausbesitzer revoltieren. Und in der Ampel-Regierung einmal mehr ein handfester Streit zwischen Grünen und FDP ausgebrochen ist. Habeck wirft dem Koalitionspartner Wortbruch vor, doch seine einst hohen Beliebtheitswerte und die der Partei sind wegen der Heizungskontroverse abgestürzt.
Daran ist Robert Habeck nicht unschuldig. Sein Gesetz ist teilweise unverständlich formuliert, die Kommunikation war unglücklich, und er musste den zuständigen Staatssekretär wegen «Vetternwirtschaft» entlassen. Dabei sind sich (fast) alle einig: Für die Klimaneutralität ist der Ausstieg aus den fossilen Heizsystemen alternativlos.
Das hat auch die Schweizer Politik erkannt. Die «Wärmewende» ist zentraler Bestandteil des Klimagesetzes, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Wobei nicht mit Verboten operiert wird. Vielmehr soll der Austausch von Öl-, Gas- und Elektroheizungen durch Wärmepumpen während zehn Jahren mit zwei Milliarden Franken subventioniert werden.
Dennoch kämpft der Hauseigentümerverband (HEV) in einer Allianz mit der SVP gegen das Gesetz. Der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser, ein Befürworter des Klimagesetzes, ist wegen dieser Kampagne unter Absingen wüster Lieder aus dem HEV ausgetreten. Und der eigenständige Westschweizer Verband hat die Ja-Parole beschlossen.
«90 Prozent aller Sanierungen erfolgen schon heute mit erneuerbaren Energien», verteidigte sich HEV-Direktor Markus Meier am Dienstag an einer Podiumsdiskussion in Pratteln (BL). Sie bildete den Abschluss des ersten nationalen Wärmekongresses von aeesuisse, der Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.
Meier verwies auf angebliche «Staus» bei Fördergeldern, Material und Fachkräften, doch er hatte am Kongress einen schweren Stand. Auf dem Podium trat er gegen vier Befürworter des Klimagesetzes an (unter anderem die grüne Baselbieter Ständerätin Maya Graf), und auch das Publikum stand zu mindestens 90 Prozent hinter der Vorlage.
Denn das Motto der Veranstaltung sprach für sich: «Wärmewende konkret!» Zahlreiche Referentinnen und Referenten zeigten, was heute schon möglich wäre, aber wegen ungenügender Rahmenbedingungen und mentaler «Blockaden» noch viel zu wenig gemacht wird. Dabei wäre der Handlungsbedarf offensichtlich.
«Der Gebäudepark in der Schweiz ist für 45 Prozent des Energiebedarfs und 25 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich», sagte Markus Portmann, Vizepräsident der aeeesuisse und Geschäftsführer der e4plus AG. Eine Halbierung des Energiebedarfs und eine komplette Dekarbonisierung aber seien schon heute möglich.
In Zukunft würden Gebäude mehr Energie produzieren als verbrauchen, sagte Portmann. Das entsprechende Potenzial bezifferte er auf 70 Terawattstunden (heute sind es gerade mal 3,6 TWh). Es brauche aber einen politischen Rahmen, «der nachhaltige Investitionen nicht benachteiligt». Denn eigentlich gibt es heute schon alles, was dafür benötigt wird.
Das zeigten anschauliche Beispiele, die am Wärmekongress präsentiert wurden, unter anderem der «Parc Dinu-Lipatti», ein grosser Wohnblock aus den 1950er-Jahren in Chêne-Bourg bei Genf. Er wurde einer Totalsanierung unterzogen, bei der die Wohnfläche um 30 Prozent erhöht wurde. Dennoch sank der Energieverbrauch um 80 Prozent.
Das Resultat: höhere Mieteinnahmen bei deutlich tieferen Heizkosten. Ein anderes Beispiel lieferte Fabrice Bär vom Architekturbüro Giuseppe Fent AG, das in Fahrwangen (AG) ein Mehrfamilienhaus aus den 1970er-Jahren vom Typ «Wärmeschleuder» in einen Plusenergiebau «umgewandelt» hat und dafür mit wichtigen Preisen ausgezeichnet wurde.
Die Mehrkosten bei der Sanierung bezifferte Bär anhand eines weiteren Projekts auf fünf Prozent. Dem stünden Mehreinnahmen von 17 Prozent gegenüber, dank tieferer Nebenkosten und dem Verkauf des «überschüssigen» Stroms. Eigentlich ein klarer Fall, doch die Bauherrschaft habe häufig einen «Tunnelblick» auf die Kostenseite, sagte Bär.
Es ist das bekannte Problem. Man sieht – siehe Deutschland – nur die unmittelbaren Kosten (Wärmepumpen sind teurer als Ölheizungen) und blendet aus, dass die Rechnung langfristig aufgeht, in mehrfacher Hinsicht. «Behalten wir das Geld im eigenen Land, statt es Putin zu schicken», meinte der streitbare ETH-Klimaforscher Reto Knutti in seinem Referat.
Er zeigte einmal mehr auf, wie drastisch der Klimawandel voranschreitet, und wird deshalb von Klimaleugnern – die auch im jetzigen Abstimmungskampf ihr Unwesen treiben – attackiert. Dabei braucht es eigentlich keine Klimadebatte, um die Vorzüge der Wärmewende aufzuzeigen. Die finanziellen Aspekte genügen: Wärmewende rentiert!
Man fragt sich, warum dies den Hausbesitzern nicht einleuchten will. Ohne Fördergelder geht es offenbar nicht. Die Abstimmung im Juni sei «ein ganz wichtiger Meilenstein», betonte Aeneas Wanner, Geschäftsleiter der Energie Zukunft Schweiz AG, am Wärmekongress. Er rief das Publikum auf, im eigenen Umfeld für ein Ja zum Klimagesetz zu werben.
2023-05-24T17:04:53Z dg43tfdfdgfd