GRöSSTES EXPERIMENT ZUR 4-TAGE-WOCHE AUSGEWERTET – DAS SIND DIE ERKENNTNISSE

In Grossbritannien wurde das weltweit grösste Experiment zur 4-Tage-Woche ausgewertet – und es liefert gute Argumente für eine verkürzte Arbeitswoche. Und auch in der Schweiz tut sich was. Das Wichtigste zu den Erkenntnissen, zur 4-Tage-Woche weltweit und in der Schweiz.

Vier Tage in der Woche arbeiten, drei Tage pausieren – und trotzdem 100 Prozent des Lohnes erhalten: Für viele klingt das zu gut, um wahr zu sein. Und trotzdem ist die 4-Tage-Woche seit einiger Zeit auf dem Vormarsch.

Die Idee begeistert viele, andere wiederum sind noch überhaupt nicht überzeugt. Zurzeit werden immer neue Daten und Ergebnisse gesammelt – obschon das Thema bei der Wirtschaftselite zumeist als nicht umsetzbar oder «realitätsfern» galt.

Ungeachtet der Bedenken haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Staaten und Unternehmen daran gemacht, sich eingehend mit der Idee auseinanderzusetzen. In Island ist die 4-Tage-Woche bereits für mehr als 80 Prozent der Angestellten Realität. Dies, nachdem man eine deutlich positive Bilanz aus der dreijährigen Testphase gezogen hatte.

Artikel-Update

Dieser Artikel wurde bereits im Juni 2022 publiziert und auch im Januar 2023 war er aufgrund neuer Ergebnisse bei uns auf der Front zu sehen. Anlässlich der neusten Erkenntnisse aus dem Experiment in Grossbritannien wurde er überarbeitet und erneut veröffentlicht.

Die jüngsten Argumente für eine 4-Tage-Woche lieferte im Januar die Auswertung eines sechsmonatigen Versuches, der zwischen Juni und Dezember 2022 in Grossbritannien stattfand. Über 60 Unternehmen hatten sich dabei einer wissenschaftlich begleiteten Testphase unterzogen. Damit ist es das wohl weltweit grösste koordinierte Pilotprogramm für eine 4-Tage-Woche.

Die neusten Ergebnisse

In dem von «4 Day Week Global» organisierten Praxisexperiment sollte festgestellt werden, ob die Beschäftigten in 80 Prozent der Zeit genauso produktiv sein können – und das bei gleicher Bezahlung.

«4 Day Week Global»

«4 Day Week Global» ist eine gemeinnützige Aktionsplattform, welche die Vier-Tage-Woche fördern will. Sie tut dies einerseits, indem sie Unternehmen bei ihrer Einführung unterstützt und andererseits, indem sie Forschungsarbeiten über die Zukunft der Arbeit finanziert.

Zur Durchführung von Versuchen in Unternehmen und zur Analyse der Ergebnisse arbeitet die Gruppe mit Wissenschaftlern der Harvard Business School, der Oxford University und der University of Pennsylvania zusammen.

2021 begann «4 Day Week Global» mit der Rekrutierung von Unternehmen und Non-Profit-Organisationen für die Teilnahme an sechsmonatigen Versuchen.

An der Studie nahmen insgesamt 61 Unternehmen und damit rund 2900 Angestellte teil. Sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeitenden füllten jeweils vor, während und nach dem Projekt eine Umfrage aus. Darin sollten sie über ihre allgemeinen Erfahrungen berichteten, sowie bestimmte Zahlen und deren Veränderung (wie den Betriebsgewinn oder die Fluktuation von Angestellten) ausweisen.

In diesem Punkt liegt die wohl grösste Schwäche des Experiments: Über einige Zahlen konnten nur wenige Unternehmen Auskunft geben. Im Schnitt gaben etwa zwei Drittel, also ungefähr 40 Unternehmen, genügend Daten in allen Kategorien. Und bei den Mitarbeitenden füllten nur gerade etwas über 50 Prozent alle Umfragen aus. Für solche Experimente mit sogenannten Paneldaten ist ein gewisses Schwinden der Antworten über die Zeit zwar normal, es sollte aber bei der Interpretation der Aussagekraft berücksichtigt werden.

Die Branchen der teilnehmenden Firmen:

An dem britischen Projekt nahmen sowohl Unternehmen aus dem Finanzsektor, der Marketing-, IT- und Baubranche sowie der Gastronomie und dem Gesundheitswesen teil. Einige Betriebe führten flächendeckend ein dreitägiges Wochenende ein, während andere den freien Tag der Angestellten über die Woche verteilten. Ein Grossteil der Unternehmen sind KMUs: Nur 12 Prozent beschäftigen mehr als 100 Angestellte.

Die Unternehmen nach Grösse:

Folgende sind die zentralen Ergebnisse aus dem britischen Pilotprojekt:

  • Die Unternehmen bewerteten ihre Gesamterfahrung der Studie im Schnitt mit 8,3 von 10 Punkten.
  • 92 Prozent der Organisationen halten an einer 4-Tage-Woche fest – auch nach Beenden des Projekts.
  • Während der Studie stieg der Umsatz im Durchschnitt um 1,4 Prozent (gewichtet nach Unternehmensgrösse).
  • Im Vergleich zu einem ähnlichen Zeitraum aus den Vorjahren meldeten die Unternehmen gar Umsatzsteigerungen von durchschnittlich 35 Prozent. (Allerdings scheinen allfällige Effekte durch die Corona-Pandemie nicht mit einberechnet zu sein.)
  • Die Zahl der Mitarbeitenden, die das Unternehmen verliessen, sank um 57 Prozent während des Versuchszeitraums.
  • Der Arbeitsstress bei den Angestellten nahm während des Versuchszeitraums ab. Auf einer Skala von 1-5 («nie» bis «ständig») sank die Häufigkeit des berichteten Arbeitsstresses von durchschnittlich 3,07 vor der Studie auf 2,74 nach der Studie. Während fast 13 Prozent der Beschäftigten einen Anstieg des Stresses erlebten, waren dreimal so viele (39 Prozent) weniger gestresst, während der Rest (48 Prozent) keine Veränderung des Stressniveaus feststellte.
  • Die Prävalenz von Schlaflosigkeit und allgemeinen Schlafproblemen verringerte sich deutlich: Bei 40 Prozent gingen die Schlafprobleme zurück, bei 45 Prozent blieben sie unverändert, 15 Prozent stellten eine Zunahme fest.
  • Über 40 Prozent spürten eine Verbesserung ihrer mentalen Gesundheit, und über die Hälfte meldete eine Reduktion ihrer negativen Gefühle.

«4 Day Week Global» betreut weitere Pilotprojekte zur 4-Tage-Woche: In Südafrika soll noch in diesem Jahr ein ähnliches Projekt gestartet werden, und auch ein kürzlich abgeschlossenes Experiment in den USA und Irland lieferte überzeugende Ergebnisse. (Die Zusammenfassung dazu findest du weiter unten.)

Die 4-Tage-Woche in der Theorie

Die 4-Tage-Woche will die gesamte Arbeitszeit, die in einer Volkswirtschaft geleistet wird, statt auf fünf auf vier Tage pro Woche aufteilen.

Theoretisch gibt es dazu zwei Möglichkeiten: Entweder wird die gleiche Anzahl an Arbeitsstunden wie bisher (40 resp. 42 Stunden) auf vier Tage aufgeteilt. Das hätte längere Arbeitstage zur Folge. Oder die geleisteten Stunden werden reduziert (z.B. auf 35 Stunden pro Woche) und auf vier Tage verteilt – also: gleich lange Arbeitstage bei einem Tag weniger.

Vereinzelt steht auch eine dritte Möglichkeit zur Diskussion, wobei lediglich die wöchentlichen Arbeitsstunden reduziert werden, diese aber auf nach wie vor fünf Tage aufgeteilt werden können.

Wichtig ist bei allen Varianten: Der Lohn bleibt gleich wie vorher. Hier kommt das sogenannte 100-80-100-Modell zum Tragen, das auch explizit im Pilotprojekt in Grossbritannien angewandt werden soll: Es gibt 100 Prozent des Gehalts für 80 Prozent der bisher gearbeiteten Zeit, dafür wird trotzdem 100 Prozent Produktivität erwartet.

Die Vorteile

Die grössten Vorteile einer kürzeren Arbeitswoche erhofft man sich durch höhere Zufriedenheit und eine bessere Gesundheit der Arbeitnehmenden.

Ausserdem wird erwartet, dass – zumindest in einigen Branchen – die Produktivität steigt. Dies unter anderem, weil Angestellte bei der Arbeit weniger Zeit damit verbringen würden, sich nicht-arbeitsbezogenen Dingen zu widmen. So könnte die Effizienz erhöht werden. Dazu passt, dass Arbeitspsychologen argumentieren, die meisten Menschen könnten sich nicht länger als fünf Stunden am Tag richtig konzentrieren.

Hinzu kommen weitere ökonomische Gründe aus Sicht der Arbeitgeber: So kann das Angebot einer 4-Tage-Woche ein wichtiges Mittel im Kampf um Arbeitskräfte sein. Aufgrund des Fachkräftemangels gilt es als Unternehmen, diese möglichst an sich zu binden – und dies funktioniert längst nicht mehr nur über den Lohn. Insbesondere das Versprechen einer guten Work-Life-Balance kann einen Arbeitgeber heute attraktiv machen.

Dazu gibt es ökologische Gründe für eine 4-Tage-Woche: weniger Pendlerverkehr, zum Beispiel. Angestellte könnten ausserdem mehr Zeit haben, selber zu kochen (was den Take-Away-Abfall vermindern würde). Ob allgemein in den Büros und Fabriken weniger Energieaufwand anfällt, hängt davon ab, ob eine 4-Tage-Woche auch eine reduzierte Produktion zur Folge hätte.

Eine 4-Tage-Woche könnte nicht zuletzt dazu beitragen, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu entschärfen. Die Denkfabrik Women's Budget Group (WBG) kam dazu zum Schluss, dass weniger Tage bezahlter Arbeit zu einem besseren Gleichgewicht zwischen dem Anteil von Männern und Frauen an unbezahlter Betreuungsarbeit, etwa für Kinder oder andere abhängige Personen, führen könnte.

Die Nachteile

Von Gegnern der 4-Tage-Woche werden hohe Kosten befürchtet. Dies primär dann, wenn die Produktivität nicht auf demselben Niveau gehalten werden kann.

Eine Ablehnung der 4-Tage-Woche wird oft auch mit dem grassierenden Fachkräftemangel begründet, der durch ein solches Modell weiter verschärft würde, so das Argument. Werden pro Arbeitnehmenden weniger Stunden gearbeitet, müssten demnach noch mehr Arbeitskräfte gefunden werden, um die fehlenden Stunden zu decken.

Ausserdem wird argumentiert, dass nicht alle Branchen ihre Arbeitszeit verkürzen und trotzdem denselben Output generieren könnten. Ist das der Fall, könnte eine 4-Tage-Woche bei gleichem Lohn zu Ungleichheiten zwischen den Branchen führen.

Zuletzt besteht die Möglichkeit, dass sich die Mitarbeitenden nach Einführung einer 4-Tage-Woche gestresster fühlen. Das kann insbesondere in wissensbasierten Berufen der Fall sein, und zwar dann, wenn sich zwar die Arbeitszeit verkürzt, die zu verrichtende Arbeit aber gleich bleibt und die Mitarbeitenden zu wenig bei der Transition unterstützt werden.

Welche Länder haben die 4-Tage-Woche schon getestet?

  • USA: Bereits im Jahr 1930 führte der Kellogg-Konzern in den USA einen 6-Stunden-Arbeitstag und eine 30-Stunden-Woche ein. Diese Praxis wurde grösstenteils bis in die 1980er Jahre beibehalten. Der Effekt: Das Unternehmen verzeichnete die höchste Produktivität aller vergleichbaren Unternehmen und eine aussergewöhnliche Loyalität der Mitarbeiter. Als die Praxis eingestellt wurde, kam es zu einer leichten Kostensenkung und einem enormen Rückgang der Produktivität.
  • Island: 2015 bis 2019 testete die Insel im Norden die 4-Tage-Woche mit rund 2'500 Arbeitnehmenden. Das Fazit: Erfolg auf ganzer Linie. Wissenschaftlern zufolge gab es keine Produktivitätseinbusse, dafür eindeutig höhere Zufriedenheit bei den Arbeitnehmenden. Das Risiko für Burnouts sank massiv, Angestellte waren gesünder und ausgeglichener.
  • Neuseeland: Im Jahr 2018 hat der Nachlassplaner Perpetual Guardian seine 240 Mitarbeiter an einer 4-Tage-Woche teilnehmen lassen. 78 Prozent von ihnen gaben daraufhin an, dass sie ihre Work-Life-Balance besser in den Griff bekommen hatten – ein Anstieg um 24 Prozentpunkte.

    2021 testete die Firma Unilever in Neuseeland ein Jahr lang die 4-Tage-Woche. Alle 81 Beschäftigten wurden in den Versuch einbezogen. Vor Kurzem wurde bekannt, Unilever wolle die Praxis fortsetzen. Fällt die noch ausstehende vollständige Bilanz positiv aus, könnte sie das Unternehmen weltweit einsetzen.

    Was diesem und anderen Vorhaben im Land bestimmt nicht schadete: Neuseelands ehemalige Premierministerin, Jacinda Ardern, gilt als glühende Anhängerin einer 4-Tage-Woche.

  • Japan: 2019 hat Microsoft in Japan einen Sommer lang die 4-Tage-Woche eingeführt. Auch hier war die Bilanz durchwegs positiv: Nach Angaben des Unternehmens sah man eine Produktivitätssteigerung von 40 Prozent. Microsoft Japan gibt an, in mehreren Bereichen effizienter geworden zu sein, unter anderem durch geringere Stromkosten, die um 23 Prozent gesunken sind.
  • Schweden: Das skandinavische Land ist eines der wenigen, das gemischte Erfahrungen gemacht hat. 2015 wurde in mehreren Unternehmen die verkürzte Arbeitswoche eingeführt. Die Bilanz: erhöhte Zufriedenheit, ja – aber meist auch erhöhte Kosten. Das Experiment wurde sogar linken Parteien zu teuer. Lediglich in den Werken von Toyota hat man die 4-Tage-Woche daraufhin permanent eingeführt.
  • USA und Irland: An diesem ebenfalls von 4 Day Week Global organisierten Experiment nahmen 2022 insgesamt 33 Unternehmen und über 900 Angestellte teil. Die Unternehmen bewerteten die Studie selbst als äussert positiv (im Schnitt mit 9 Punkten, auf einer Skala von 0 bis 10). Mindestens zwei Drittel gaben an, die 4-Tage-Woche dauerhaft einführen zu wollen. In der Zeit zwischen Beginn und Ende des Pilotprojekts konnten die Firmen ihren Umsatz um durchschnittlich 8,14 Prozent steigern. 16 Prozent der Angestellten fühlten sich gestresster als vorher. Allerdings gaben gleichzeitig zwei Drittel der Angestellten an, weniger ausgebrannt zu sein. Die Burn-Out-Rate sank von 2,74 auf 2,30 Prozent.

Welche Länder haben die 4-Tage-Woche schon eingeführt?

Die allermeisten Unternehmen, in denen die kurze Woche zur Anwendung kommt, sind private Unternehmen. Standardmässig einen Tag weniger arbeiten – das haben nur ganz wenige Länder grossflächig bereits als Praxis:

  • Island: Weil der Testversuch als grosser Erfolg gewertet wurde, arbeiten in Island rund 86 Prozent der Angestellten nunmehr an vier Tagen in der Woche. Das heisst, das Recht auf kürzere Arbeitszeiten steht im Arbeitsvertrag.

    Einer der Gründe, weshalb das in Island so gut funktioniert, liegt allerdings im hohen Beschäftigungsgrad der Bevölkerung: 87 Prozent der Menschen in Island sind erwerbstätig. Zum Vergleich: In der Schweiz sind dies lediglich 70 Prozent.

    Ausserdem habe man während und nach der Testphase vieles vereinfachen können. So wurden Sitzungen verkürzt, neue Formen von Arbeitsschichten kreiert und zusätzliche digitale Hilfsmittel in Betrieb genommen.

  • Belgien: Im Februar 2022 hat die Regierung beschlossen, Arbeitnehmenden eine 4-Tage-Woche zu ermöglichen. Allerdings bedeutet das keine Reduktion der Arbeitsstunden: Angestellte haben einfach die Möglichkeit, längere Tage zu arbeiten, dafür erhalten sie einen dritten freien Tag. In Belgien käme das 9,5 Stunden pro Arbeitstag gleich.
  • Vereinigte Arabische Emirate: Auch die Emirate verkürzten die Arbeitswoche. Zwar nicht um einen ganzen Tag, dafür wurde eine 4,5-Tage-Woche eingeführt. Seit Januar 2022 ist sie Pflicht für Regierungseinrichtungen sowie für Schulen. Das verlängerte Wochenende beginnt demnach schon am Freitagmittag. Die Begründung für diesen Entscheid: Man wolle wettbewerbsfähiger werden, sowie die Balance zwischen Privat- und Arbeitsleben verbessern.

Wie geht es weiter?

Neben dem oben beschriebenen Pilotprojekt in Grossbritannien wollen auch weitere Länder in Zukunft eigene Erfahrungen über die 4-Tage-Woche sammeln. Die Non-Profit-Organisation 4 Day Week Global unterstützt und berät sie bei der Durchführung und Auswertung von Pilotprojekten. Die Gruppe wendet sich auch direkt an Unternehmen, die von sich aus reduzierte Arbeitszeiten einführen wollen.

Bei 4 Day Week Global sind 2023 weitere Pilotprojekte, gemäss denjenigen in den USA und in Grossbritannien, in Planung, zum Beispiel in Südafrika.

In Schottland soll 2023 ein staatlicher Versuch beginnen, während Wales ebenfalls einen Versuch in Erwägung zieht. Die Entscheidung war das Einlösen eines Wahlversprechens der regierenden Scottish National Party (SNP). Die Arbeitszeit der Arbeitnehmer wird dabei um 20 Prozent gekürzt, Einbussen bei der Vergütung soll es auch hier nicht geben.

Auch Spanien ist im Begriff, ein grossangelegtes Pilotprojekt durchzuführen. Allerdings wird dessen Start immer wieder verschoben. 2021 wurden auf Druck der regierenden Linkspartei Más País 50 Millionen Euro für die Durchführung gesprochen.

Ende 2022 wurde bekannt, dass Portugal die 4-Tage-Woche ebenfalls testen will. Das Pilotprojekt soll im Juni 2023 anlaufen und richtet sich zunächst an den privaten Sektor, bevor es auf den öffentlichen Bereich ausgedehnt wird.

Und wie sieht es in der Schweiz aus?

Was die Privatwirtschaft betrifft, gibt es auch in der Schweiz vermehrt Berichte über Unternehmen, die auf eigene Faust eine kürzere Arbeitswoche einführen. Dabei handelt es sich aber meistens um kleinere Unternehmen, bei grösseren sind bislang noch keine Bestrebungen zu erkennen. Und: Auch wenn Unternehmen die 4-Tage-Woche einführen, so kommt das in den meisten Fällen keiner Reduktion der Arbeitszeit gleich. 40 oder 42 Stunden werden somit auf vier statt fünf Tage aufgeteilt.

Ein Beispiel aus St. Gallen:

Warum es in diesem St.Galler Handwerkbetrieb bald die 4-Tage-Woche gibt

Stadt Zürich geht voraus

Auf Seiten der öffentlichen Hand wollte man lange nichts vom Thema wissen. Im Dezember 2021 reichte Tamara Funiciello (SP) zwar eine Motion zur 4-Tage-Woche ein. Darin wird gefordert, in einer Zeitspanne von zehn Jahren die Erwerbsarbeit auf maximal 35 Stunden pro Woche zu senken – bei vollem Lohn für mittlere und tiefe Einkommen. Das Parlament hat die Motion noch immer nicht behandelt, und der Bundesrat hat sie bereits abgelehnt.

«Dieses Mass an Produktivität und Druck ist ungesund»: Funiciello zur 4-Tage-Woche

Im März 2023 kam allerdings erneut Bewegung in die Politik: Die Zürcher Stadtverwaltung gab bekannt, in einem Pilotprojekt die 35-Stunden-Woche testen zu wollen. Der Gemeinderat hat dabei einen entsprechenden Vorstoss von AL und SP an den Stadtrat überwiesen. Gegen seinen Willen muss dieser nun ein Versuchsprojekt für eine 35-Stunden-Woche ausarbeiten.

Getestet werden soll die Arbeitszeitreduktion mit jenen Angestellten, die im Schichtbetrieb arbeiten und deswegen besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Neben Mitarbeitenden in Pflege und Betreuung sind dies etwa jene in der Reinigung, bei der Polizei oder bei den Verkehrsbetrieben.

Interpellation auf nationaler Ebene

Auf nationaler Ebene reichte Cédric Wermuth, SP-Nationalrat, gleichentags eine Interpellation ein. Diese muss der Bundesrat – in der Regel bis zur nächsten Session – schriftlich beantworten. Bei der vorliegenden Interpellation verlangt der SP-Co-Präsident vom Bundesrat, die «4-Tage-Woche oder ähnliche Formen der Arbeitszeitreduktion» zu prüfen.

Unter anderem soll die Frage geklärt werden, ob der Bundesrat über die nötigen Daten zu einer möglichen Arbeitszeitreduktion verfügt, ob er beabsichtigt, den «Wunsch aus der Bevölkerung aufzunehmen» und ob er bereit wäre, ein entsprechendes Pilotprojekt zu initiieren.

Gewerkschaftsverbände dafür, Arbeitgeberverband dagegen

Die Schweizer Gewerkschaftsverbände äusserten sich gegenüber SRF positiv zu einer allfälligen 4-Tage-Woche. Das wichtigste Argument: In den letzten Jahrzehnten sei die Produktivität gestiegen, die geleisteten Arbeitsstunden seien aber nicht gleichzeitig gesunken. Die 4-Tage-Woche habe aber nur Vorteile, wenn die wöchentlichen Arbeitsstunden effektiv sinken.

Anders sieht es der Arbeitgeberverband: Eine gewisse Flexibilität sei grundlegend in der Schweizer Wirtschaft. Unternehmen müssten selbstständig über ihre jeweiligen Arbeitsmodelle entscheiden können. Der Verband äusserste sich deshalb gegen eine gesetzlich verordnete 4-Tage-Woche.

Ein Problem: Der hohe Anteil Teilzeiterwerbender

Eine weitere Hürde, die sich in der Schweiz stellen würde, sind die vielen Angestellten, die bereits Teilzeit arbeiten. Nach Angaben der OECD arbeiten in Europa nur in Holland noch mehr Menschen nicht 100 Prozent.

In der Schweiz dürfte das primär am hohen Durchschnittslohn liegen: Auch wenn ihr monatliches Gehalt dadurch sinkt, können es sich viele Angestellte grundsätzlich leisten, nicht in Vollzeit zu arbeiten. Die vielen Teilzeitangestellten könnten so den Druck auf und das Bedürfnis für eine kürzere Arbeitswoche vermindern.

Mit Material der SDA

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