SANDOZ-KONZERNCHEF: «ICH BIN GERNE DER UNDERDOG»

Richard Saynor sagt, warum er immer in der Generikaindustrie war und wann die Party um die Abnehmspritze Wegovy bei ihm losgeht.

Es läuft rund für Sandoz-Konzernchef Richard Saynor. Die Valoren der ehemaligen Generikasparte von Novartis gehen durch die Decke, seit sie am 4. Oktober an der Börse SIX in Zürich zum ersten Mal gehandelt wurden. Wir haben den Briten an dem Ort zum Interview getroffen, wo das Unternehmen vor einem Jahr seine ersten Schritte in die Unabhängigkeit machte.

Richard Saynor, die Aktien von Sandoz sind um mehr als 40 Prozent gestiegen, seit es vor einem Jahr an der Schweizer Börse vor einem Jahr losging. Happy?

Wir haben alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Die Investoren fangen an, unsere Pipeline zu schätzen, und das ist entscheidend. Wir waren ein Nobody, als wir hier vor einem Jahr anfingen …

… Und nun ist Sandoz 15 Milliarden Franken wert und auf bestem Weg, ein SMI-Konzern zu werden. Wann ist es denn so weit?

Die Indexmitgliedschaft im Swiss Market Index ist an bestimmte Kriterien wie durchschnittliche Marktkapitalisierung und durchschnittliches Handelsvolumen geknüpft und wird von der Mitte eines Jahres bis zur Mitte des Folgejahres von der SIX ermittelt. Der Sandoz-Börsengang fiel nicht in dieses Zeitfenster. Unser Fokus als Unternehmen liegt voll darauf, unser Wachstum und unsere Wertschöpfung weiter voranzutreiben. Alles Weitere folgt, wenn es folgt.

Bei Big Pharma dreht sich zurzeit alles ums Übergewicht. Wann beginnt die Party für Sie als Generikahersteller?

Die ersten Patente für den Wirkstoff von Wegovy, das Diabetes- und Abnehmmittel von Novo Nordisk, laufen 2026 in Brasilien und Kanada aus. Letzteres ist immerhin der zweitgrösste Markt für das Präparat weltweit. So richtig los geht es dann nach 2030, wenn die Produkte in den USA und Europa generisch werden.

Und? Sind Sie am Start? 

Klar. Wir haben zu sechs der acht Medikamente, die heute auf dem Markt sind, ein Produkt in der Pipeline. Diese Medikamente sind eine grossartige Gelegenheit für uns, und ich denke, wir sind gut aufgestellt, um bei der Marktgestaltung für diese Produkte eine wichtige Rolle zu spielen.

Bei den Originalherstellern sind bis 2030 Umsätze von geschätzt 150 Milliarden Dollar zu vergeben. Wie gross ist der Kuchen, den es bei den Generikaherstellern zu verteilen gibt?

Wenn ich das wüsste. Vor zwei Jahren haben wir ja noch nicht einmal über diese Medikamente gesprochen. So etwas habe ich noch nie erlebt in den 35 Jahren, in denen ich nun im Geschäft bin. Entscheidend wird aus meiner Sicht sein, wie sich die Kostenträger und die Konkurrenz verhalten werden und wie weit die Originalhersteller mit den Preisen runtergehen werden.

Ihre Prognose?

Was das finanziell bedeutet, weiss ich wirklich noch nicht im Detail. Dafür gibt es noch zu viele Unsicherheiten. Aber wir stellen uns auf alle Szenarien ein.

Zweites grosses Thema: die Biosimilars, also die Nachahmerprodukte der biologisch hergestellten Medikamente. Als Sandoz noch zu Novartis gehörte, kamen Sie bei diesem Thema nie wirklich auf Touren.

Das kann man heute nicht mehr sagen. In Europa sind wir mit grossem Abstand führend bei den Biosimilars, und auch weltweit sind wir insgesamt die Nummer eins. Wir entwickeln unsere Biosimilars primär für die regulatorischen Anforderungen des europäischen Marktes. Wenn sie sich dann auch noch in den USA aufbieten lassen, nehmen wir diese Chance natürlich sehr gerne wahr. 

Die USA als Sekundärmarkt? Die USA sind der mit Abstand lukrativste Pharmamarkt.

Wir sind überzeugt, dass dies das richtige Vorgehen ist, und der Erfolg gibt uns recht. Wir sind heute die Nummer vier bei den Biosimilars in Nordamerika. Wir haben gerade ein neues Launch-Programm gestartet und wollen in den nächsten Jahren insgesamt fünf weitere Biosimilars in den USA auf den Markt bringen. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir auch hier bald ganz vorne mitspielen werden. Der amerikanische Markt ist sehr anspruchsvoll. Die Geschäftsrisiken waren aufgrund des US-Rechtssystems immer schon beträchtlich, aber inzwischen ist die Situation wirklich dramatisch. 

Wo liegt das Problem?

Der Wettbewerb spielt zu wenig, aber das soll er ja, wenn die Patente abgelaufen sind. Da muss mehr passieren.

Dabei gibt es ja durchaus Konkurrenz. Pfizer zieht sich zwar aus dem Geschäft mit Biosimilars zurück, aber Amgen ist noch dabei. Zudem gibt es mit Samsung und Celltrion zwei grosse koreanische Anbieter. 

Das Problem ist nicht, dass es zu wenig mögliche Anbieter hat, sondern die aggressive Klage- und Rabattpolitik der Originalpräparatehersteller. Manche Pharmafirmen überziehen die Generikahersteller geradezu mit Klagen und handeln mit den Grosshändlern ausgeklügelte Rabattsysteme aus, um ihnen den Zugang zum Markt zu erschweren. Das hat man bei Abbvie und Humira gesehen, einem der grössten biologischen Produkte überhaupt. Umso befriedigender ist es, dass wir mit Hyrimoz das grösste Humira-Biosimilar auf dem Markt haben – in den USA und weltweit. Das Hauptproblem sind die enormen Rechtsrisiken.

Sie sprechen das sogenannte Patentedickicht an, dass also Pharmafirmen immer mehr Patente auf ihre Originalpräparate laden und dass sie auch immer häufiger alle Register ziehen, um diese vor Gericht zu verteidigen. 

Richtig.

Von welchen Grössenordnungen sprechen wir?

Es gibt heute Originalpräparate mit Hunderten, wenn nicht Tausenden von Patenten, mit denen die ursprünglichen Patente verlängert werden. Das hat auch mit falschen Anreizen in den amerikanischen Patentbehörden zu tun. Die Beamten werden dafür bezahlt, dass sie Patente aufnehmen, nicht dafür, dass sie welche streichen. 

Was können Sie tun?

Wir gehen vor Gericht und haben auch einige wichtige Fälle gewonnen. Bei Natalizumab, einem Biosimilar zu einem Medikament gegen Multiple Sklerose, haben wir ein Verfahren um eine einstweilige Verfügung für uns entscheiden können und damit erreicht, dass wir unser Produkt gegen den Widerstand des Originalherstellers auf den Markt bringen können. Und bei Denosumab, einem Produkt zur Behandlung von Knochenkrebs, haben wir eine Einigung für einen beschleunigten Marktzutritt erreicht. Es gibt aber auch Produkte, bei denen die US-Gerichte für eine Patentlaufzeit von dreissig Jahren entschieden haben, namentlich bei Enbrel, einem Rheumamedikament. Die US-Regierung ficht diesen Entscheid nun an, mit der Begründung, er sei wettbewerbswidrig, was uns natürlich freut. Zudem schaut sich die amerikanische Wettbewerbsbehörde die Margen an, welche die Grosshändler auf unsere Produkte schlagen. Auch das ist eine gute Entwicklung. 

Was beschäftigt Sie mehr: die Risiken, die mit der Produktentwicklung verbunden sind, oder die Rechtsrisiken?

Die Rechtsrisiken. Die Entwicklungsrisiken sind überschaubar und kalkulierbar: Die Entwicklung eines Biosimilars kostet zwischen 250 und 300 Millionen Franken, und die meisten Produkte in unserer Pipeline kommen irgendwann auf den Markt. Aber die US-Rechtsrisiken sind eine andere Kategorie. Es kann jederzeit zu Verzögerungen kommen. Deshalb lege ich mich hier ja auch so ins Zeug. Wir sind ein bedeutender Player dieser Industrie, wir haben die Ressourcen, um hier etwas zu erreichen. Ich bin sehr stolz, dass wir diesen Kampf aufgenommen haben, und ich bin entschlossen, ihn auch zu führen.

Ich nehme an, da hatten Sie deutlich weniger Beinfreiheit, als Sandoz noch zu Novartis gehörte. Vas Narasimhan dürfte es nicht gerne gesehen haben, wenn Sie als Chef seiner Generikasparte gegen Originalhersteller vorgingen. 

Ich will Novartis gegenüber fair sein. Auch da hatte ich gewisse Freiheiten. Aber klar, es gab Grenzen. Der Wert von Novartis besteht nun mal in ihrem geistigen Eigentum. Um es philosophisch zu sagen: Meine Aufgabe ist es, Patente anzufechten – das ist der Kern unseres Geschäftsmodells. Die Originalpräparatehersteller müssen alles daran setzen, Patente zu verlängern.

Irgendwie ist es ja schon verblüffend. Jahrelang war Sandoz das Sorgenkind von Novartis – immer diese mauen Zahlen, die auf die Marge des Konzerns drückten. Und kaum ist die Sparte selbstständig und an der Börse, geht die Aktie durch die Decke. 

Die Märkte von Novartis und Sandoz waren sehr unterschiedlich, das war ein Handicap – übrigens nicht nur für uns, sondern auch für Novartis. Jetzt, als getrennte Unternehmen, kann man viel fokussierter arbeiten, man kann die Kapitalstrukturen genau so aufbauen, dass sie für einen passen, und man kann die Anreize entsprechend aufsetzen, wenn man sich auf ein Geschäft konzentriert. Ein Beispiel: Bei Novartis bekam ich meinen Bonus in Novartis-Aktien, doch die konnte ich ja kaum beeinflussen. Sandoz machte ja nur einen Fünftel des Umsatzes aus. Bei Sandoz sind übrigens mehr als 90 Prozent der Mitarbeitenden Aktionäre und Aktionärinnen des Unternehmens.

Sandoz brachte Novartis zwar viel Cash, aber wenn es um die Investitionen ging, dann gingen diese ins Geschäft mit den Originalpräparaten. Eine Darstellung, die Sie so stehen lassen würden?

Der Fokus von Novartis lag klar bei den Originalpräparaten, und bei denen sind die Margen und die Investitionsrenditen nun einmal viel höher als im Generikageschäft. 

Stichwort USA: Was ist aus dem Geschäft mit Generika geworden, das Novartis damals an Aurobindo verkaufen wollte? 

Das US-Geschäft mit diesen Präparaten haben wir restrukturiert und einige Produkte vom Markt genommen. Wir haben weltweit 28’000 Stock Keeping Units (SKU) als Verpackungsvarianten in unserem Geschäft. Tausende und Abertausende von Wirkstoffen. Da muss man ständig über die Bücher. Das Geschäft mit Basismedikamenten ist nach wie vor ein wichtiges Standbein von Sandoz.

Und verdienen Sie mit den Generika in den USA auch wieder etwas Geld?

Das Geschäft ist im Vergleich zu jenem mit den Biosimilars kein Wachstumsrenner, aber werthaltig. Entscheidend ist, dass wir unsere Position bei den Generika in den USA stabilisieren konnten und dass wir jetzt mit unserer Biosimilars-Pipeline voll durchstarten können. 

Aber Europa ist irgendwie immer noch Ihre DNA.

Absolut. Das hat mit unseren Wurzeln zu tun. Sandoz war ja eine der beiden Elterngesellschaften von Novartis und immer ein sehr europäisch ausgerichtetes Pharmaunternehmen. Wir sind der wichtigste Generikahersteller Europas, in den USA sind wir die Nummer neun oder zehn bei den Standardpräparaten.

Wie sieht es bei den Antibiotika aus? 

Wir verdienen Geld mit Antibiotika, aber nicht so viel, wie es braucht, um weiter investieren zu können. Das ist ein Problem, denn Antibiotika sind extrem wichtig für die medizinische Grundversorgung. Die Schweizer Behörden sind offen für Gespräche zur Frage der Vergütung von Antibiotika. Andere Märkte sind leider nicht so weit.

In den nächsten Jahren werden biologische Medikamente mit Umsätzen von 400 Milliarden Dollar ihre Patente verlieren. Warum tun Sie sich chemische Generika eigentlich noch an?

Weil diese «small molecules» ein entscheidender Pfeiler der Gesundheitsversorgung sind. Wir bringen Medikamente auf den Markt, die nur noch einen Fünftel der entsprechenden Originalpräparate kosten. 90 Prozent der Medikamente, die in Apotheken verkauft werden, sind generisch. Ohne die Generikabranche gäbe es keine bezahlbare Gesundheitsversorgung. Aber der Preisdruck bei den Basispräparaten ist schon enorm. 

Die Politik sagt, die Generika seien immer noch zu teuer.

Das sehe ich nicht so. Die Politik muss sich entscheiden: Entweder sind die Preise mindestens kostendeckend, oder die betroffenen Produkte verschwinden irgendwann vom Markt. Mein Eindruck ist, dass sich die Dinge bewegen. Wir Generikahersteller werden heute stärker als Teil der Lösung und nicht mehr als Teil des Problems wahrgenommen als noch vor ein paar Jahren. 

Wirklich?

Ja, das sieht man daran, dass die Preise im vergangenen Jahr nicht weiter gesunken sind. Während Jahren lag die Preiserosion bei den Generika bei 5 Prozent. 2024 blieben die Preise erstmals seit langem wieder stabil. Das Bewusstsein, dass wir als Generikahersteller ein zentrales Element der Gesundheitsversorgung sind, nimmt zu. Das ist ein weiterer Vorteil der Unabhängigkeit: Wir werden besser gehört. Wer will schon mit einem Spartenchef sprechen? Bei einem Konzernchef ist das anders. Sandoz ist dank der Unabhängigkeit zu einer starken Stimme der Industrie geworden, und das zeigt erste Früchte.

Sie wissen aber schon, dass es linke Politikerinnen und Politiker gibt, die Sie verstaatlichen möchten?

Das ist mir zu Ohren gekommen, ja.

Dann erklären Sie doch mal auf diesem Weg, warum das Ihrer Meinung nach keine gute Idee ist. 

Ein staatlich kontrolliertes Unternehmen wäre nie in der Lage, in einem derart komplexen und wettbewerbsintensiven Markt schnell und kostengünstig zu arbeiten. Das zeigt die historische Erfahrung. Das heutige System mit den Patentabläufen ist gerade bei den chemischen Medikamenten extrem effizient; die Preise fallen ab Tag eins nach dem Patentablauf in den Keller – und das ist auch gut so. Klar ist: Wenn die Eidgenossenschaft die Sandoz kaufen wollte und unseren Aktionären und Aktionärinnen ein attraktives Angebot machen würde, dann hätten wir die treuhänderische Pflicht, dieses unseren Aktionärinnen auch zu unterbreiten. Aber Kaufangebote für einen symbolischen Franken, wie sie vor der Abspaltung von Novartis von linken Kreisen lanciert wurden, werden wohl kaum die Zustimmung unserer Aktionäre und Aktionärinnen finden.

Nach der Pandemie gab es eine grosse Diskussion um die Pflichtlager. Was ist daraus geworden?

Es ist im Interesse von allen, dass die Grundversorgung mit Medikamenten weltweit auch über Krisen hinweg sichergestellt ist. Meine Sorge bei den Pflichtlagern ist, dass die Regierungen Mindestlager fordern und den Unternehmen die Kosten für die Lagerhaltung aufbürden. In Frankreich ist das bereits der Fall. Da verlangt die Regierung Vorräte für vier Monate, und wenn die Dreissigerpackung nicht da ist, sondern nur die Sechzigerpackung, dann gibt es eine Busse. Die Folge dieser Politik wird sein, dass Produkte vom Markt genommen werden und dass sich die Versorgungssituation für die Franzosen tendenziell verschlechtern wird. Das ist supersuper kurzfristig gedacht. Deutschland macht nun einen ähnlichen Fehler, dort geht es sogar um sechs Monate Pflichtlagerhaltung. Das schafft null Anreize mehr, zu produzieren. Dass die Kosten der Lagerhaltung und der Vernichtung von Medikamenten, die die Haltbarkeitsgrenze überschritten haben, voll den Unternehmen aufgebürdet werden, liegt bei den Margen bei Basisgenerika nicht drin.

Sie kamen 2019 als Spartenchef zu Sandoz zurück. Wussten Sie damals schon, dass Sie einmal Konzernchef eines Unternehmens werden würden?

Nein. Aber die langfristige Perspektive war natürlich da. Mein Interview mit Vas Narasimhan und einigen anderen Führungskräften war übrigens am Tag, als die Aktien von Alcon das erste Mal an der Börse gehandelt wurden. Harry Kirsch, der Finanzchef von Novartis, kam gerade von der Börse zurück, das Thema Abspaltung von Sparten war da natürlich das Tagesthema. Es gab aber keinerlei Verpflichtungen vonseiten Novartis mir gegenüber. 

Vas Narasimhan hatte Sandoz schon in einem seiner ersten Interviews als «angrenzendes Gebiet» bezeichnet.

Er war sich über die zukünftige Strategie von Novartis im Klaren, und das war auch gut so. Aber entscheiden musste der Verwaltungsrat.

Und der hat etwas länger gebraucht, weil sich Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt, ein alter Sandoz-Mann, mit der Abspaltung schwertat.

Der Verwaltungsrat muss alle Optionen für das Unternehmen unter dem Gesichtspunkt der optimalen Wertschöpfung für die Aktionärinnen und Aktionäre prüfen. Das ist seine Aufgabe.

Novartis hat Ihnen wenig Schulden mitgegeben, dafür konnten Sie die brandneue Produktionsanlage für Biosimilars im österreichischen Schaftenau nicht mitnehmen. Wie sehr tat das weh?

Gar nicht. Wenn überhaupt, dann war es ein Vorteil. Novartis produziert ja als Lohnhersteller weiter für uns in Schaftenau. Die Konditionen waren wirklich fair. Die Schulden entsprachen den Kosten für die Ausgliederung. Bei anderen Abspaltungen war das in jüngster Zeit sehr wohl anders. 

Trotzdem: Sandoz hat die Anlage damals gebaut, und jetzt müssen Sie dafür zahlen, dass Ihre Produkte dort produziert werden. Alles kein Problem?

Nicht im Geringsten. Wir haben langjährige, attraktive Verträge mit Novartis, wir sind gut abgesichert. Zudem bauen wir ja aktuell in Slowenien eine noch modernere Anlage im Weltmassstab. Abgesehen davon wurde Schaftenau ja damals mit dem Geld des Novartis-Aktionariats gebaut, nicht mit jenem von Sandoz. 

Das heisst, der grösste Biosimilarhersteller Europas hat zurzeit keine eigene Produktionsanlage? 

Das ist richtig, und das ist auch kein Problem. Wenn wir mehr Produktionskapazitäten brauchen, dann kaufen wir diese einfach zu. Mein Ziel ist, ein Netzwerk mit eigenen und fremden Kapazitäten aufzubauen, das uns ein Höchstmass an Sicherheit und Flexibilität gibt. Es darf nicht sein, dass ein Markt ganz von einer Anlage abhängt. Das ist viel zu riskant. Wie soll ich da noch liefern, wenn es einen Produktionsausfall gibt?

Sind Übernahmen für Sie ein Thema? 

Eigentlich nicht. Warum sollten wir andere Unternehmen übernehmen? Wir sind bereits die Nummer eins in Europa, und wir sind stark in den USA. Wir haben eine starke Pipeline. Und wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns, um unser Geschäft zu vereinfachen und zu dem Unternehmen zu werden, das wir sein müssen. Nächstes Jahr steht eine ganze Reihe von grossen Markteinführungen an. Wir haben auch ohne Übernahmen alle Hände voll zu tun.

Das erste Jahr an der Börse ist um. Was kommt als Nächstes?

Urlaub. (lacht) Im Ernst: 2025 wird wohl nicht viel anders werden als 2024. Wir werden unsere Pipeline weiter ausbauen. Wir haben derzeit 25 Biosimilars in der Entwicklung, aber ich wäre noch glücklicher, wenn es 40 wären. Das ist ja das Tolle an der jetzigen Situation: Ich kann absolut frei entscheiden, wie ich meine Pipeline aufstelle. 

Die meisten Pharmamanager wollen irgendwann «richtige» Medikamente machen, am besten einen Durchbruch bei Krebs oder Alzheimer schaffen. Sie haben den grössten Teil Ihrer beruflichen Laufbahn in der Generikabranche verbracht. Was fasziniert Sie daran? 

Ehrlich gesagt, ich liebe die Art des Kampfes, den ich hier führe. Ich bin gerne der Underdog, den alle unterschätzen. 

Das klingt jetzt nicht sehr britisch.

Vielleicht. Aber da ist definitiv was dran. Ich finde es einfach befriedigend, möglichst vielen Patienten und Patientinnen gute pharmazeutische Produkte zur Verfügung zu stellen. Wir tun in vielerlei Hinsicht etwas Gutes. Und wir sind ein Motor für die Innovation. Warum sollten die Originalhersteller neue Produkte erforschen und entwickeln, wenn die Patente nicht ablaufen würden? Sie könnten für immer davon leben. Zudem ist es ein unglaublich schnelles Geschäft. Ich denke, mir wäre das Geschäft mit den Originalpräparaten zu langsam und zu langweilig. 

Kein Wunder, kommen einige Sandoz-Verwaltungsräte aus der Konsumgüterindustrie.

Es ist eben kein Big-Pharma-Geschäft. Klar, die Qualität muss stimmen. Aber es ist viel dynamischer und aggressiver als das Pharmageschäft. Es geht um Geschwindigkeit, Schnelligkeit und Ausführung. Wenn ich heute eine schlechte Entscheidung treffe, dann bin ich morgen mit den Konsequenzen konfrontiert. 

Sie sind studierter Apotheker. Haben Sie je in einer Apotheke gearbeitet? 

Ungefähr sechs Monate lang. Ich wollte nie ein professioneller praktizierender Apotheker sein, das hat mich nicht gereizt. Nach dem Studium wollte ich zuerst zur Armee, doch dann bekam ich ein Angebot als Handelsvertreter. Und als solcher bekam ich einen Firmenwagen, was für mich damals als 22-Jähriger eine grosse Sache war. 

Und nun stehen Sie nicht im Dienste Ihrer Majestät, sondern Ihrer Aktionäre und Aktionärinnen.

Und im Dienst der Patienten und Patientinnen. Dass ich diesen Job machen darf, ist ein riesiges Privileg. Ehrlich gesagt, es gibt Tage, an denen ich mich zwicke und mir sage: Was für ein Glück, dass ich hier gelandet bin!

Sie leben in Zug – richtig?

Ja, und seit einiger Zeit nehme ich Deutschunterricht. Ich möchte eine C-Niederlassung, und dafür muss ich Deutsch lernen. 

Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch?

Beides. 

Da haben Sie sich aber was vorgenommen. Wie läuft es?

Ich habe zu meiner Sprachlehrerin gesagt, die Stunden bei ihr seien die stressigsten zwei Stunden meiner Woche. Ich bin sehr stolz, ein Teil der Schweiz zu sein, und ich bin sehr stolz, ein Teil von Sandoz zu sein. Ich möchte hier bleiben und die Schweiz zu meiner Heimat machen. Und wer weiss, vielleicht reichen meine Deutschkenntnisse irgendwann sogar für den Schweizer Pass. 

2024-10-01T07:13:04Z dg43tfdfdgfd