MIETEN GEHEN BIS ZU 3 % RAUF – WAS DIE ERHöHUNG DES REFERENZZINSSATZES BEDEUTET

Die Preise steigen zurzeit in allen Lebensbereichen – auch beim Wohnen. Nun hat das Bundesamt für Wohnungswesen bekannt gegeben, dass der Referenzzinssatz erhöht wird. Wir erklären dir, was das für dich bedeutet.

Der Referenzzinssatz wird am 1. Juni 2023 von 1,25 auf 1,5 Prozent angehoben. Du verstehst gerade nur Bahnhof? Wir haben mit Experten gesprochen und dir alle Informationen zusammengestellt – damit du als Mieterin weisst, was in den bevorstehenden Monaten auf dich zukommt.

Was ist der Referenzzinssatz?

Der Referenzzinssatz wird quartalsweise aus dem Durchschnitt aller Zinssätze berechnet, die auf Hypotheken in der Schweiz gelten, wie der Jurist des Mieterinnen- und Mieterverbands, Fabian Gloor, erklärt. Er wird seit 2008 berechnet und ausgewiesen und ist seither ein massgebender Faktor bei der Berechnung der Mietzinsen.

Das Bundesamt für Wohnungswesen erhält dafür die entsprechenden Daten aller Schweizer Banken, wertet diese aus und ermittelt den Durchschnitt, was dann den sogenannten Referenzzinssatz ergibt – dieser legt zusammen mit weiteren Kriterien fest, wie viel Miete verlangt werden darf.

Worauf müssen sich die Mieter nun einstellen?

Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der Vermieter nach der Bekanntgabe der Erhöhung des Referenzzinssatzes am 1. Juni 2023 einen höheren Mietzins verlangen wird. Dies wird er schriftlich mittels eines eingeschriebenen Briefes kommunizieren. Der Vermieter muss dafür ein amtliches Formular verwenden. «Jahrelang ist der Referenzzinssatz zugunsten der Mieter gesunken, es ist das erste Mal, dass er seit 2008 wieder steigt», sagt Experte Gloor.

Solange der Referenzzinssatz unter 5 Prozent liegt, berechtigt eine Erhöhung um ein Viertelprozent laut dem Gesetz zu einer Mietzinserhöhung von 3 Prozent. In einem konkreten Beispiel würde das bedeuten: Steigt der Referenzzinssatz von 1,25 auf 1,5 Prozent und beträgt der Mietzins monatlich 1000 Franken, so darf der Mietzins um 3 Prozent, also um 30 Franken erhöht werden.

Wie wirkt sich die Teuerung auf den Mietzins aus?

Nicht nur ein höherer Referenzzinssatz kann dafür sorgen, dass deine Miete in die Höhe schnellt. Auch eine allgemeine Kostensteigerung durch beispielsweise eine Renovation und die aktuelle Teuerung führen zu höheren Kosten.

Es ist gesetzlich festgelegt, dass die Vermieterinnen 40 Prozent der Teuerung auf den Mieter abwälzen dürfen. Die Mieter müssen laut Gloor also mit weiteren Zusatzkosten durch die Teuerung rechnen.

Der Ökonom Prof. Dr. Donato Scognamiglio geht davon aus, dass Mieter in dieser ersten Runde der Referenzzinssatzerhöhung mit einer gesamthaften Mietkostensteigerung von 4 bis 6 Prozent rechnen müssen.

Wie kann man sich gegen einen höheren Mietzins wehren?

«Wenn der eigene Mietvertrag nicht auf dem Referenzzinssatz von 1,25 basiert, sondern auf jenem von 1,5 Prozent, ist man beispielsweise nicht von einer Erhöhung des Mietzinses betroffen», sagt Scognamiglio. Wer seit März 2020 einen Mietvertrag abgeschlossen hat, bei dem gilt der Referenzzinssatz von 1,25. Bei jemandem, der vor 10 oder mehr Jahren eingezogen ist, sieht es wieder anders aus.

Jurist Gloor merkt an, dass Erhöhungen des Mietzinses nur geltend gemacht werden dürfen, wenn der Vermieter zuvor auch bei tieferen Referenzzinssätzen Senkungen der Mietkosten vornahm: «Wer die letzten Jahre zu viel bezahlt hat, muss jetzt nicht noch mehr Miete zahlen, sondern könnte unter Umständen sogar eine Mietzinssenkung verlangen.»

«Wer von seinem Vermieter einen eingeschriebenen Brief erhält, sollte also zuerst überprüfen, ob eine Mietzinserhöhung rechtmässig ist», sagt Gloor. Auf der Webseite des Mieterinnen- und Mieterverbands gibt es einen Rechner, den Mieter zur Überprüfung benutzen können. Gloor betont, dass der Mieter für eine Einsprache nur 30 Tage nach Erhalt des Briefes Zeit hat. Dafür muss bei der Schlichtungsbehörde ein Schlichtungsgesuch eingereicht werden.

Wieso gehen die Prognosen so weit auseinander?

Diverse Banken haben Prognosen für die Mietzinsentwicklung der kommenden Jahre aufgestellt. Während die CS davon ausgeht, dass die Mieten bis April 2024 um 10 Prozent steigen, rechnet die UBS mit einem Zuschlag von 15 Prozent, der erst später, bis Ende 2025, eintrifft.

Mehr zu den Prognosen:

Diese Woche steigt der Referenzzinssatz – mit unangenehmen Folgen für alle Mieter

Die Studien und Zukunftsszenarien der verschiedenen Banken gehen weit auseinander. Wieso dem so ist, erklärt der Ökonom Prof. Dr. Donato Scognamiglio auf Anfrage. Es gibt mehrere Unsicherheiten: Man weiss nicht genau, wie all die Verträge zwischen den vielen Banken und Hypothekarnehmern aussehen und wann sie auslaufen. Weil man nicht weiss, welches neue Produkt die Hypothekarkunden nach Ablauf der alten Hypothek wählen – ob eine Saron-Hypothek mit schwankendem Zinssatz oder beispielsweise eine zehnjährige Fixhypothek von 3 Prozent. Es ist zudem nicht bekannt, wie sich die Zinsen in Zukunft entwickeln werden.

Was laut dem Experten aber sicher ist, ist der Fakt, dass heute kaum eine Hypothek mehr zu einem tieferen Zins als 2 Prozent vergeben werden würde. Das habe zur Folge, dass sich der Referenzzinssatz nun immer mehr dieser 2-Prozent-Marke annähern werde, da ältere Verträge zu anderen Zinssätzen allmählich auslaufen und neue Verträge zu 2 Prozent abgeschlossen würden. Bis diese 2-Prozent-Marke erreicht ist, kommen gemäss Scognamiglio auf die Mieter 10–15 Prozent höhere Mietkosten zu. «Wenn ich zu den 20 Prozent der Haushalte gehöre, die monatlich unter 5000 Franken verdienen und bereits jetzt ein Drittel davon fürs Wohnen ausgeben, macht sich dieser Zuschlag stark bemerkbar.»

Hier noch das Erklärvideo des Experten:
Video: watson

Warum steckt die SNB nun im Dilemma?

Um die Inflation abzudämpfen, hat die Schweizer Nationalbank den Leitzins angehoben. Der steigende Leitzins sorgt dafür, dass auch die Hypothekarzinsen steigen und somit der Referenzzinssatz. «Nun ist es aber so, dass nicht nur Karotten im Warenkorb für den Landesindex der Konsumentenpreise landen – auch die Miete wird mit einem Anteil von 16 Prozent darin erfasst.» Wenn diese teurer wird, steigt auch der Preis für den Warenkorb und somit die Inflation. «Man kann sich das vorstellen wie bei einem Medikament gegen Kopfschmerzen, das Übelkeit als Nebenwirkung auflistet. Das Problem der SNB sind die Kopfschmerzen, um die Übelkeit muss sie sich nicht kümmern.»

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