«KOLOSSALES POLITIKVERSAGEN» – SO REAGIEREN DIE PARTEIEN AUF DEN PRäMIENHAMMER

2025 steigen die Krankenkassenprämien schon wieder. Diesmal um 6 Prozent, wie der Bundesrat heute verkündete. Welche Lösungen jetzt gefordert sind, hat watson Mitglieder der Gesundheitskommission gefragt.

6 Prozent oder knapp 260 Franken pro Jahr. So viel teurer wird die mittlere Krankenkassenprämie ab 2025. Seit Jahren steigen die Krankenkassenprämien praktisch ungebremst. In Bundesbern sind sich die Politikerinnen und Politiker von links bis rechts in einer Sache einig: Die Prämienexplosion muss gestoppt werden.

Die Zuger Grüne-Nationalrätin und ehemalige Regierungsrätin Manuela Weichelt sagt zu watson: «Es ist eine Katastrophe für einen Grossteil der Haushalte in der Schweiz, die schon stark belastet sind.». Auch der Zürcher FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt zeigt sich besorgt: «Die Krankenkasse wird immer teurer für den Mittelstand und trifft gerade Familien in der Schweiz besonders.»

Die wichtigsten Aussagen aus der Prämien-Medienkonferenz

Wenn es darum geht, dem gemeinsamen Feind den Kampf anzusagen, herrscht unter den Parteien grosse Einigkeit. Doch die Werkzeuge, die sie wählen, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Höhere Franchise

Just am selben Tag, wie Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider die Erhöhung der Krankenkassenprämien präsentiert, heisst der Ständerat eine Motion von seinem St. Galler SVP-Mitglied Esther Friedli gut. Sie möchte die Mindestfranchise erhöhen. Die genaue Zahl ist noch nicht festgelegt, doch im Raum steht eine Franchise von mindestens 400 oder 500 Franken. Und geschätzte Einsparungen von über 1 Milliarde Franken.

«Wir müssen die Eigenverantwortung ins Zentrum stellen.»

- Diana Gutjahr -

Auch SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr hat dazu einen gleichlautenden Vorstoss eingereicht. Sie sagt zu watson: «Die Mindestfranchise von 300 Franken wurde seit über 20 Jahren nicht mehr angepasst, das ist nicht mehr zeitgemäss.» Laut Gutjahr sei es nur richtig, wenn sich die Versicherten mit einer höheren Franchise stärker an den stetig steigenden Gesundheitskosten beteiligen, die sie selbst verursachen würden. «Wir müssen die Eigenverantwortung ins Zentrum stellen und uns individuell mehr am System beteiligen, wenn schon immer mehr Leistungen bezogen wird», sagt sie. Die SVP dürfte mit ihren Anliegen gute Chancen haben, da der Bundesrat beide Vorstösse zur Annahme empfohlen hat. Doch für die Linken sind diese Vorschläge ein rotes Tuch.

Die Berner SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen ist über den «Lösungsansatz» entsetzt, wie sie zu watson sagt: «Es kommt einem kolossalen Politikversagen gleich, dass am Tag der Prämienerhöhung der Ständerat entscheidet, die Mindestfranchise anzuheben.» Wasserfallen betont die Vorschläge der SP, wie die «Einführung eines Prämiendeckels, solidarischer finanzierter Prämien und die Bekämpfung der überhöhten Medikamentenpreise».

Mehr Wahlfreiheit

In eine ähnliche Richtung wie die SVP möchte auch die FDP gehen, wenn auch von der anderen Seite aus. «Eine Ausweitung der Franchise auf maximal 3000 Franken wäre eine Überlegung wert, damit Menschen tiefere Prämien zahlen können», sagt FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt. Dies sei jedoch nur ein Ansatz «von vielen FDP-Vorstössen».

Obwohl das Parlament in dieser Woche die Budget-Krankenkasse der Freisinnigen versenkt hat, wolle man einzelne Punkte daraus weiterverfolgen. ««Ein wichtiges Element sind Mehrjahresverträge, die durch das Parlament gefordert werden», sagt Silberschmidt. Wenn ein Versicherter längere Verträge als für ein Jahr abschliessen könne, werde es für die Versicherer wichtiger, «gesunde Prämienzahler» zu haben. «Dadurch wird der Fokus auf die Prävention verstärkt», sagt Silberschmidt.

Eine andere Möglichkeit für mehr Wahlfreiheit in der Grundversicherung sieht er in den Arztmodellen. «Fast drei Viertel der Bevölkerung nutzen alternative Modelle wie etwa das Hausarztmodell oder Gruppenpraxen, um mehr Prämienrabatte zu erhalten.» Solche Modelle müsse man ausbauen. «Wenn mehr Menschen zuerst zum Hausarzt oder zur Apotheke gehen anstatt direkt zum Spezialisten, können wir viele Kosten sparen.»

Kritisch betrachtet die St. Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi diesen FDP-Vorschlag. Die Präsidentin der Gesundheitskommission des Nationalrats sagt zu watson: «Die Budget-Krankenkasse hätten sich sowieso nur die Reichen leisten können. Diejenigen alternativen Versicherungsmodelle, die wir haben, sind gut und sinnvoll. Doch das Obligatorium der Grundversicherungsleistungen würde mit immer neuen Modellen untergraben, die oft nur denen nützen, die genug finanzielle Mittel haben.»

Für Gysi haben mehrere andere Lösungsansätze Priorität: «Wir müssen bei der Prämienverbilligung für den unteren Mittelstand ansetzen, auf Generika-Medikamente und somit günstigere Medikamentenpreise setzen und auch die einheitliche Finanzierung der Leistungen, worüber wir im November abstimmen, hat ein gewisses Sparpotenzial»Nicht zuletzt sei die SP dran, die Einheitskrankenkasse zu prüfen.

Einkommensabhängige Prämien

Dass es nur noch eine Anlaufstelle bei der Grundversicherung gibt, fände auch Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt interessant: «So müssten wir nicht mehr gegen 50 überbezahlte Verwaltungsräte mit unseren Krankenkassenprämien finanzieren.»

Weichelt sieht weniger ein Kosten-, sondern ein Finanzierungsproblem in der Grundversorgung. «Die Prämien steigen mehr als die Kosten. Das heisst, das System ist falsch.» Weichelt fokussiert sich deshalb darauf, «von der Kopfprämie wegzukommen». Sie hat dazu einen Vorstoss eingereicht für einkommensabhängige Prämien. In der Wintersession vom Dezember wird der Nationalrat voraussichtlich darüber debattieren. Im bürgerlich dominierten Parlament stehen die Chancen dafür allerdings schlecht.

Diana Gutjahr von der SVP hat bereits durchblicken lassen, wie sie dazu steht:

«Der Steuerzahler finanziert heute das Gesundheitssystem zu einem erheblichen Teil mit. Sie noch mehr zu schröpfen, kommt für mich gar nicht infrage.»

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