DER «SPARPLAN» DES BUNDESRATS IST ZUM SCHEITERN VERURTEILT

Der Bundesrat will bis zu 4,5 Milliarden Franken pro Jahr einsparen. Die Bündelung der Massnahmen aber ist ein Rezept für ein Desaster, spätestens in der Volksabstimmung.

Mit dem Ende der Herbstsession am Freitag ist die Zeit für eine erste Bilanz der laufenden Legislaturperiode gekommen. Sie ist, nett formuliert, durchzogen. Das im letzten Oktober gewählte Parlament hat sich bislang nicht mit Ruhm bedeckt. Die bürgerliche Mehrheit fiel durch fragwürdige Entscheide auf und einen Hang zur Symbolpolitik, etwa im Asylwesen.

Die Herbstsession bildete keine Ausnahme. So erinnerte die Debatte im Nationalrat über die Armeebotschaft 2024 an absurdes Theater, und das nicht nur, weil Fabian Molina (SP) die Armee wie einst Parteichef Peter Bodenmann als Trachtenverein verspottete. Ihr Budget soll bis 2028 um vier Milliarden Franken aufgestockt werden, doch woher das Geld kommen soll, ist offen.

Mehr Geld für die Armee – aber wie? Die grosse Konfusion im Parlament

Überhaupt gab es irritierende Debatten und Entscheide rund um militärische Aspekte. Der Ständerat etwa wollte der Ukraine mit Verweis auf das Neutralitätsrecht nicht einmal Schutzwesten liefern, obwohl sie niemanden töten, sondern im Gegenteil Leben retten. Eine bürgerliche Ständerätin ärgerte sich im Gespräch grün und blau über diesen Entscheid.

Umstrittene Sparvorschläge

Nur am Rande kam jenes Thema zur Sprache, das den Bundesrat im September auf Trab hielt: Wie lässt sich verhindern, dass der Bundeshaushalt aus dem Ruder läuft? Weil die Ausgaben stärker stiegen als die Einnahmen, müsse er ab 2030 um bis zu 4,5 Milliarden Franken pro Jahr entlastet werden, warnt Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP).

Anfang Monat präsentierte die von ihr eingesetzte Expertengruppe unter Leitung von Serge Gaillard, dem ehemaligen Direktor der Finanzverwaltung, ihre Sparvorschläge. Danach ging es ruckzuck. Der Bundesrat veranstaltete Runde Tische mit Parteien, Kantonen und Sozialpartnern und präsentierte am 20. September die Eckwerte seines «Entlastungspakets».

Kantone sollen zahlen

Es gehe nicht ums Sparen, sondern darum, das Ausgabenwachstum zu drosseln, betont Keller-Sutter gerne. Das ist Wortklauberei. So betrifft der mit Abstand grösste Posten im Entlastungspaket (knapp 900 Millionen Franken) den Verzicht auf die Bundesbeiträge an die Kinderbetreuung, obwohl sich das Geschäft derzeit in der Parlamentsmühle befindet.

Kitas seien eine Aufgabe der Kantone, meint der Bundesrat. Auf diese hat es auch der Nationalrat abgesehen. Zur Finanzierung der Armee-Milliarden will er den Anteil der Kantone an der direkten Bundessteuer kürzen. Was bei den Adressaten miserabel ankommt. Sie finden es gar nicht lustig, wenn sich der Bund auf ihrem Buckel sanieren will.

«Nicht einfach Geld wie Heu»

Die Kantone hätten «nicht einfach Geld wie Heu», betonte der Aargauer Finanzdirektor Markus Dieth (Mitte), Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), in einer Mitteilung. Sekundiert wird er von seinem Zürcher Amtskollegen Ernst Stocker (SVP). Dieser propagiert zur Finanzierung der Armee ungeniert eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Wenn sich jedoch die Kantone querlegen, wird es schwierig für die bundesrätlichen Sparpläne. Man erinnert sich an das vor 20 Jahren von den rechtsbürgerlichen Mehrheiten in Bundesrat und Parlament durchgeboxte Steuerpaket, das nicht zuletzt wegen des massiven Widerstands der Kantone in der Volksabstimmung hochkant abstürzte.

Zahl der Gegner maximieren

Dieses Szenario könnte sich wiederholen, auch weil der Bundesrat plant, die verschiedenen Entlastungsmassnahmen in einem sogenannten Mantelerlass zu einem Gesamtpaket zu schnüren. Damit aber riskiert er, die Zahl der Gegner zu maximieren. Das erklärt, warum er auf Kürzungen bei Armee und Landwirtschaft weitgehend verzichten will.

Lieber Bundesrat, Sparen ist auch eine Lösung. Aber sicher nicht die beste.

Offenbar will er gewichtige bürgerliche (Lobby-)Gruppen ruhigstellen. Dafür nimmt er Opposition von links in Kauf, bei den Kita-Subventionen oder beim Klimaschutz. Die im CO2-Gesetz enthaltenen Subventionen für Nachtzüge nach Rom oder Barcelona hat Umweltminister Albert Rösti vorsorglich gesperrt, was bereits zu heftigen Reaktionen geführt hat.

Zorn der Bauern und Bergler

Mehreinnahmen hat der Bundesrat nur punktuell vorgesehen. So sollen Kapitalbezüge aus der zweiten und dritten Säule nicht mehr steuerlich bevorteilt werden. Der von Traktoren oder Pistenbullys verbrauchte Treibstoff hingegen wird weiterhin privilegiert. Offenbar fürchtet der Bundesrat den Zorn von Bauern und Berglern mehr als jenen der Pensionierten.

Im Parlament sorgen solche Widersprüche für Stirnrunzeln. Noch aber ist der Mantelerlass nicht spruchreif. Der Bundesrat will die Sparmassnahmen erst konkretisieren und im Januar 2025 in die Vernehmlassung schicken. Schon im Dezember geht es in der Wintersession bei der Beratung über das Budget 2025 ans Eingemachte, auch wegen der Armeeausgaben.

Die Schuldenbremse wackelt

Letztes Jahr konnte die Schuldenbremse, die für die Finanzministerin und ihre Verbündeten aus SVP und FDP sakrosankt ist, nur mit Ach und Krach eingehalten werden, etwa indem die Aufstockung des Militärbudgets bis 2035 erstreckt wurde. Im Parlament will niemand beschwören, dass eine derartige Zahlenakrobatik erneut gelingen wird.

Ein langjähriger Nationalrat mit Erfahrung in Finanzfragen verwies im Gespräch auf einen interessanten Aspekt: «Wenn die Schuldenbremse nicht eingehalten wird, geschieht gar nichts.» Gefordert wird einzig, dass die Mehrausgaben in den Folgejahren kompensiert werden. Eigentliche Sanktionen gibt es nicht, was die Rechtsbürgerlichen lieber ausblenden.

Steuererhöhungen im grossen Stil?

Man wäre auf die Reaktionen gespannt, wenn das Parlament kein Budget zustande brächte, das mit der Schuldenbremse konform wäre. Dies könnte den Sparwillen dämpfen, genauso wie der potenziell breite Widerstand gegen den Mantelerlass. Wenn er es überhaupt durchs Parlament schafft, ist er spätestens in der Volksabstimmung zum Scheitern verurteilt.

Die sparwütige NZZ jedenfalls zeigt sich schon einmal alarmiert: «Wenn jede Lobby ihre Pfründe verteidigt, wird es ungemütlich für alle. Dann kann der Bund schon jetzt Steuererhöhungen im grossen Stil planen.» Am Ende bleibt ihm vielleicht gar nichts anderes übrig.

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