Pflegefachkräfte kehren ihrem Beruf den Rücken. Alessia Schrepfer und Simon Hodel wollen das ändern, indem sie die Temporärarbeit im Gesundheitswesen fördern und zugleich Pflegende zu Unternehmern machen.
Tiefe Löhne, unattraktive Dienstpläne und stetig zunehmende Administrationsarbeiten haben Pflegefachkräften den Spass an ihrem Job genommen. Die Frustration ist inzwischen so gross, dass fast jede dritte Fachkraft ihren Pflegeberuf noch vor dem 34. Lebensjahr an den Nagel hängt.
Um diesem «Pflexit» – also dem massenhaften Ausstieg aus dem Pflegeberuf – entgegenzuwirken, hat Alessia Schrepfer (34) zusammen mit ihrem langjährigen Kollegen Simon Hodel (37) «WeNurse» gegründet – ein Personalpool bestehend aus angestellten Pflegefachkräften, die «temporäre Einsätze» machen.
«Die Politik schläft», klagt die Thurgauerin im Gespräch mit 20 Minuten. «Deshalb nehmen wir die Zügel selbst in die Hand und versuchen ‹von aussen› gute Pflegefachpersonen im System zu halten.»
Eine zentrale Massnahme dabei sei beispielsweise die Vermittlung temporärer Pflegestellen, wodurch Pflegefachkräfte die Möglichkeit haben, mit unternehmerischem Handeln und Denken bessere Arbeitsbedingungen zu erhalten. Heisst: Sie können ihre Schichten besser einteilen, aussuchen, in welchen Institutionen sie arbeiten möchten und erhalten für ihre geleistete Arbeit auch noch mehr Lohn.
Geteilte Meinungen, was Temporärarbeit in der Pflege betrifft
«Die Temporärarbeit gibt dem Pflegeberuf seine eigentliche Attraktivität wieder etwas zurück, weil der Hauptfokus auf die adäquate Versorgung der Patientinnen und Patienten liegt», sagt Schrepfer. Das bestätigen auch Zahlen des Personaldienstleisterverbands Swisstaffing. Demnach sind rund 7500 Personen aller Temporärarbeitenden in der Schweiz im Gesundheitswesen tätig – also 5,4 Prozent mehr als noch im Jahr 2016.
Diese Entwicklung erachten einige Personen aus der Politik und dem Gesundheitswesen allerdings nicht nur als positiv. Sie bemängeln beispielsweise, dass den Gesundheitsinstitutionen wichtiges Pflegepersonal genommen und später teuer vermittelt wird. Zudem seien temporär Angestellte eine Zusatzbelastung für das Stammpersonal, da sie eingearbeitet werden müssen und oft nur zu gewöhnlichen Arbeitszeiten arbeiten wollen.
Pflegefachpersonen sollen unternehmerisches Denken entwickeln
Kritikpunkte, die Schrepfer als stets tätige Pflegefachfrau versteht. «WeNurse» sei deshalb auch kein Personalverleih im herkömmlichen Sinn. So würden nur jene Pflegefachkräfte in den Pool aufgenommen, die bereit sind, im Dreischichtensystem und am Wochenende zu arbeiten.
Zudem sind die zwei Hauptziele von «WeNurse» gute Fachpersonen im System zu halten und ihnen das unternehmerische Mindset mitzugeben. «Deshalb sind unsere Mitarbeitenden zugleich auch Miteigentümerinnen und damit einhergehend Unternehmer», erklärt Schrepfer.
Bedeutet: Sie können nebst dem Pflegeberuf auch Positionen innerhalb des Start-ups wahrnehmen. Manche Personen würden beispielsweise Unterstützung im Bereich des Marketings, andere im Bereich der Finanzen bieten.
Auf diese Weise soll das unternehmerische Denken der Pflegefachpersonen gefördert werden, indem sie Erfahrungen einbringen und Verantwortung übernehmen. «Sie sollen den Pflegeberuf im Grossen und Ganzen sehen und so zur Innovation und zum Fortschritt des Berufs beitragen», erklärt die 34-Jährige.
«Es ist ein provokativer Ansatz, um dem ‹Pflexit› entgegenzuwirken», gesteht Schrepfer. «Und sicher auch nicht die Hauptlösung. Doch wir tragen zumindest einen wichtigen Teil zur Besserung bei.»
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