Die Zahl der freien Wohnungen sinkt, die Preise gehen durch die Decke. Durch Verdichtung und schnellere Bauverfahren könnte man das Wohnungsangebot vergrössern. Doch die Hürden dafür sind hoch.
Seit Jahren sinkt die Zahl der leeren Wohnungen in der Schweiz. Die Folge des knappen Angebots sind steigende Mieten und lange Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen. Bereits ist an manchen Orten von Wohnungsnot die Rede. Nur noch 1,08 Prozent aller Wohnungen standen laut dem Bundesamt für Statistik zum Stichtag am 1. Juni leer. Massnahmen gegen die Wohnungsknappheit wären damit dringend nötig.
Für Martin Tschirren (53), Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen, stehen dabei drei Punkte im Fokus, wie er in einem neuen Video von Immo-Experte Donato Scognamiglio (54) auf Linkedin sagt: «Wir müssen eine höhere Verdichtung zulassen, wir müssen an den Verfahren arbeiten und wir müssen die Bezahlbarkeit im Auge behalten.» Das Ziel: Ein grösseres Wohnungsangebot, damit die Mieten nicht mehr ständig steigen. Doch ist das wirklich die Lösung, und wo steht die Schweiz auf diesem Weg?
«Wir müssen alles daransetzen, dass mehr Wohnungen gebaut werden», bestätigt Fredy Hasenmaile (57), Immobilienexperte der Raiffeisen. Die Schweiz entschied sich 2013 mit dem neuen Raumplanungsgesetz dazu, zu verdichten, anstatt immer mehr Land einzuzonen.
An gewissen Orten passiert das bereits. «Dübendorf baut sehr erfolgreich in die Höhe», sagt Scognamiglio. In der Zürcher Kleinstadt wurden in den letzten Jahren mehrere Hochhäuser hochgezogen, die zum Teil mehr als 100 Meter hoch sind und bezahlbare Wohnungen bieten.
In der Stadt Zürich ist Verdichtung hingegen schwieriger. Das zeigt die unendliche Geschichte um den Bau des neuen Hardturmstadions mit zwei Hochhäusern, der seit Jahren von Einsprachen und immer neuen Abstimmungen blockiert wird.
«In einem politischen System wie der Schweiz, wo die Bürger grosse Einflussmöglichkeiten haben, ist die Verdichtung ein sehr langer Prozess», sagt Hasenmaile. «Um mehr Bautätigkeit zu erreichen, müssen wir Gesetze und Verordnungen ändern.» So ist allein in Zürich der Bau von 3000 Wohnungen durch die Lärmgesetzgebung blockiert.
Ein weiterer Punkt sind die Einsprachen: Ein Bundesgerichtsentscheid von 2011 habe die Berechtigung für Einsprachen stark ausgeweitet, sodass heute fast jedermann Bauvorhaben in der Nachbarschaft um Jahre verzögern könne, sagt Hasenmaile. «Das macht es für Investoren weniger attraktiv, Geld in den Wohnungsbau zu stecken.» Eine schnelle Lösung in dieser Problematik sei nicht in Sicht.
Aber könnten nicht auch politische Massnahmen wie Preiskontrollen und bessere Möglichkeiten zur Anfechtung des Mietzinses helfen, die Wohnungsnot zu lindern? Für Hasenmaile ist das «reine Symptombekämpfung».
Der Kanton Genf sei ein abschreckendes Beispiel dafür. «Die dortigen Mietzinskontrollen führten dazu, dass nur Langzeitmieter von tiefen Bestandesmieten profitieren, während die Angebotsmieten extrem hoch sind.» Wohnraum sei wegen der Zurückhaltung der Investoren in dem Kanton noch knapper als anderswo.
«Das tieferliegende Problem, dass eine hohe Nachfrage auf ein zu knappes Angebot trifft, wird damit nicht bekämpft», sagt auch Scognamiglio. Denn für ihn ist ohnehin klar: Die Wohnungsknappheit ist eine Folge des Erfolges der Schweiz. «Der Schweiz geht es super, doch um unseren Wohlstand zu erhalten, brauchen wir die Zuwanderung.»
Nicht nur der Wohnraum, sondern die gesamte Infrastruktur sei auf diesen Zustrom nicht zugeschnitten und müsse angepasst werden. «Wenn man am Wachstum nichts ändern will, dann muss man das Angebot erhöhen.» Eine schnelle Lösung dafür sehen beide Experten nicht.
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